Joochen Laabs und sein Netzwerk aus Büchern, deren Autoren und Figuren
Die Literaturwissenschaftlerin Therese Hörnigk erzählt in dieser Woche davon, was den Literaten und Literaturvermittler Joochen Laabs ausmacht.

Der Berliner Schriftsteller Joochen Laabs, der Anfang Juli seinen 85. Geburtstag feiert, hat sich viele Jahre im PEN-Zentrum für andere Autoren engagiert, wobei manche seiner eigenen Bücher übersehen wurden. Die Bücherfrage der Woche geht an die Literaturwissenschaftlerin Therese Hörnigk, die am Dienstag mit ihm im Brecht-Haus sprechen wird: Was schätzen Sie besonders an Joochen Laabs, den Literaten oder den Literaturvermittler?
Therese Hörnigk: Vor die Alternative gestellt: natürlich den Literaten mit seinem voller Sprachwitz ausgestattetem Sinn für die Widersprüche des Alltags und die poetische Weltsicht eines Dichters, in dessen Brust zunächst zwei Seelen gelebt hatten, die des Ingenieurs und des Dichters. Vorzüge und Defizite der jeweiligen Spezies gegeneinander abwägend, schlug er sich auf die Seite der Dichter.
Gedichte wurden ihm frühzeitig zum Schutzraum vor den Zumutungen der Gegenwart. 1970 erschien sein erster Band, „Eine Straßenbahn für Nofretete“. Frühe Negativerfahrungen als Literaturvermittler brachte ihm sein Engagement für die Zeitschrift „Temperamente. Blätter für junge Literatur“ ein, deren Redaktion nach zweijährigem Erscheinen 1978 aus politischen Gründen abgelöst worden ist. Aus den Krisenerfahrungen kamen Schreibimpulse. Von Titeln wie „Die andere Hälfte der Welt“ an, über „Der Ausbruch“, „Jeder Mensch will König sein“ bis zu „Der Schattenfänger“ (1990 u. 2000), „Späte Reise“ (2006), „Ungerechtfertigtes Lamento“ (2017), „Der Besuch der Mutter. Berliner Geschichten“ (2021) ist er im literarischen Leben des Landes präsent.
Laabs ist ein Meister der psychologisch nuanciert beschriebenen Alltagsprobleme, ein Spracharbeiter, in dessen Texten uns die biografischen Erfahrungen und eine immense Sehnsucht nach Welterkundung mit Akribie, Humor und Hintersinn begegnen. Sein jüngstes Buch „Meine Freunde, die Dichter“ verrät uns, wie ihm Poesie frühzeitig zu einer Art „Zweitwelt“ geworden ist, in die er sich vor den politischen Wirklichkeiten des ihn eingrenzenden Staates rettete, den er nicht liebte. Figuren wie Christa T., Transportpaule und der Tangospieler befanden sich ihm stets „in Rufnähe“.
„Ohne Literatur zu sein, hieße dazustehen wie Schlemihl ohne Schatten“, bekannte er in seiner Dankesrede für den Uwe-Johnson-Preis (2006). Zur familiären „kommunikativen Grundausstattung“ gehörende Freundesnetzwerke hatten ihm oft über die Misere in dem „deutschen Puzzleteilchen“ hinweg geholfen. Dichterfreunde wie Volker Braun, Christa und Gerhard Wolf, Günter Grass und Stefan Heym haben den Geschichtenerzähler sein Leben lang begleitet, hier dargestellt in einem Mosaik von Ironie und spürbarer Verbundenheit.
Lesung und Gespräch Di, 28.6., 20 Uhr, Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestr. 125