Gerade wurde zum achten Mal der Deutsche Buchhandlungspreis verliehen. Eine der Berliner Preisträgerinnen ist die Buchhandlung Winter in Charlottenburg, nicht weit von der Schaubühne. Die Bücherfrage der Woche geht an die Inhaberin Almut Winter: Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung – und welche Bücher empfehlen Sie gerade am liebsten?
Almut Winter: In diesen Tagen stellen wir unseren „Lesewinter“ zusammen. Das ist eine kleine Broschüre, die wir uns in der Corona-Zeit ausgedacht haben, um den Verlust an Veranstaltungen ein bisschen auszugleichen. Wir empfehlen Bücher aus den verschiedensten Bereichen, für die verschiedensten Interessen.
Ich habe viele Favoriten und nenne mal nur zwei. Das eine ist „Kleine Dinge wie diese“ von Claire Keegan, eine Weihnachtsgeschichte der besonderen Art. Sie spielt in einem irischen Provinzstädtchen 1985, der Protagonist ist ein Kohlenhändler, glücklich verheiratet, Vater von fünf Töchtern. Sie leben bescheiden, aber zufrieden. Bis er eines Tages beim Kloster ein Mädchen entdeckt, das ihn um Hilfe bittet. Es war damals noch üblich in Irland, dass die Kirche sogenannte gefallene Mädchen aufnahm, um sie in harter Arbeit auszubeuten. Das Erlebnis setzt bei dem Mann etwas in Gang: Kann er dem Mädchen helfen, wo doch die Kirche so viel Macht hat im Ort, was bedeutet das für seine Arbeit, die Kinder? Es geht eigentlich um große Dinge in diesem Buch, um Menschlichkeit, auch um Mitschuld und Verantwortung.
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Meine zweite Empfehlung ist das Buch von Lea Ypi: „Frei. Erwachsenwerden am Ende der Geschichte“. Die Autorin, heute Professorin für Politische Theorie in London, wurde 1979 im Albanien von Enver Hoxha geboren. Die Eltern haben ihr die eigenen dissidentischen Anschauungen verschwiegen, Ypi erzählt, wie sie im Glauben an diese Diktatur aufwächst. Das Ende dieses Systems ist also ein Schock für sie. Unglaublich lebendig schildert sie, wie sie die Veränderung des Landes erlebt. Zugleich ist es sehr dicht geschrieben, man merkt, dass sie eine radikale Denkerin ist, wenn sie über Freiheit und Liberalismus reflektiert. Vor dem Hintergrund der heutigen Entwicklungen in Osteuropa ist es eine ganz wichtige Lektüre.
Und ja, der Preis ist für unser ganzes Team eine große Anerkennung unserer Arbeit. Besonders schön finde ich dabei, wie viele Kunden vorbeikamen, um uns zu gratulieren. Sie freuen sich mit uns und wir werden noch mit ihnen feiern.
Buchhandlung Winter, Giesebrechtstraße 18, 10629 Berlin-Charlottenburg