„Einübung ins Schweben“: Was der Krieg mit Menschen macht
Der Schriftsteller Dževad Karahasan erzählt von Sarajevo unter der Belagerung. Am Mittwoch wird er 70 und ist zu Gast in Berlin.

In seinem Buch „Tagebuch der Übersiedlung“ erwähnt Dževad Karahasan die Begegnung mit einem „klugen, wohlmeinenden Mann“ aus dem Westen im Dezember 1992. Sarajevo, Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, war seit dem 5. April durch die jugoslawische Bundesarmee und die Armee der bosnischen Serben belagert. Wohnhäuser, Kliniken, das Fernsehgebäude, die Nationalbibliothek waren bereits zerstört, Wasser- und Energieversorgung weitgehend gekappt. Der Gast aus dem Westen wollte vom persönlichen Leid Karahasans hören, aber der redete nur von der sterbenden Idee einer multiethnischen, multireligiösen Stadt. Am Ende war „der gute Mann aus Frankreich gekränkt“, und der Autor hatte Schuldgefühle.