Wenn jemand fürs Lebenswerk ausgezeichnet wird, ist er in der Regel dem Publikum vertraut. Im Falle von Hans Ticha, der auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Sonderpreis Gesamtwerk des Deutschen Jugendliteraturpreises geehrt wurde, wird das kaum so sein. Zwar sind Leser der Berliner Zeitung, die selbst Kinder und Kindeskinder haben, mit seinen Büchern aufgewachsen. In den Kinderabteilungen der Buchläden stehen heute aber keine Ausgaben mit seinem Namen auf dem Cover. Und doch hat die Jury nicht etwa einen Fehltritt begangen, sondern eine Entscheidung getroffen, die Fehler wiedergutmachen könnte.
1940 geboren, wurde Ticha zunächst Lehrer in Leipzig und ging dann zum zweiten Studium nach Ostberlin. Bis 1990 lebte er in Prenzlauer Berg, danach zog er in den Westen des Landes. Seine Bildsprache prägt sich dem Betrachter sofort ein. Wer genauer hinschaut, erkennt Vorbilder aus der Bauhaus-Tradition wie Oskar Schlemmer, aus der naiven Kunst wie Fernand Léger, sieht die Pop-Art-Inspiration durch Roy Lichtenstein. Unverkennbar ist seine Leidenschaft für die Buchkunst, an der Werner Klemke, sein Lehrer an der Kunsthochschule Weißensee, einen Anteil gehabt haben dürfte.
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An die 90 Bücher tragen die Handschrift von Hans Ticha, fast wortlose Bildgeschichten in knalligen Farben, überpräsente Körper neben Fantasiewesen in den Märchenbüchern, Gegensätze sichtbar machende Schwarz-Weiß-Grafiken. 25-mal wurden von ihm gestaltete Bücher als Schönste Bücher der DDR ausgezeichnet. Vielleicht ließ das Verlage im vereinigten Land vor seiner Arbeit zurückschrecken. Doch selbst wenn er Lehrbücher illustrierte, behielt Ticha satirisch angespitzte künstlerische Individualität. Der mit 12.000 Euro dotierte Jugendliteraturpreis, gestiftet vom Bundesfamilienministerium, ist die bedeutendste Auszeichnung auf diesem Gebiet. Er ehrt einen Bilderbuchkünstler, heißt es in der Begründung, „dessen Bücher zwischen Eigensinn und politischer Geste einen erneuten Auftritt in allen Haushalten, Schulen und Kindergärten verdienen“.