Kulturwerk Unter den Linden: Staatsbibliothek zeigt Schätze live und mit WLAN

Bachs h-Moll-Messe und revolutionäre Flugblätter, alte Globen und japanische Brautgaben sind jetzt in neuen Räumen öffentlich zu sehen – mit digitalem Mehrwert.

Ein Besucher steht im neuen Kulturwerk der Staatsbibliothek.
Ein Besucher steht im neuen Kulturwerk der Staatsbibliothek.dpa/Jörg Carstensen

Der Buchstabe K lockt fünffach am Weg vom springbrunnenerfrischten Innenhof der Staatsbibliothek Unter den Linden in eine kühle, dunkle Landschaft. K wie Kulturwerk heißt sie. Das sind völlig neu eingerichtete Räume der Bibliothek, offen für alle – ab der offiziellen Einweihung am Mittwochabend mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Man muss also keinen Bibliotheksausweis besitzen oder ein Forschungsanliegen verfolgen, Neugier allein reicht, um das Kulturwerk zu betreten. Dann kann man sich an der rechten Seite geradewegs auf die Reise durch die Geschichte der Sammlung begeben, beginnend mit der Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree im Jahr 1661, über die königlich-preußischen Sammlungen bis zur Wiedervereinigung der Berliner Bestände nach der deutschen Einheit 1990. Oder man lenkt den Schritt gleich nach links, geht in Schleifen und um Ecken, um je nach Interesse mal hier, mal da genauer zu schauen.

Die Aura des Alten und das Neue

Da gibt es Landkarten, Globen, in dickes Leder gebundene oder grob geheftete Bücher, früheste Fotografien, illustrierte Objekte aus alten Kulturen, Flugblätter der Revolution 1848 oder von der Kommune 1, Erstdrucke bahnbrechender wissenschaftlicher Erkenntnisse. Zwar ist das alles hinter Glas und nicht zum Anfassen präsentiert. Die Objekte dürfen auch nur unter bestimmten Temperaturen und Lichteinstrahlung präsentiert werden – bei um die 20 Grad Celsius und 50 Lux.

Aber, und dieses Aber könnte als Überschrift stehen für eine kurze freudige Rede, die Achim Bonte, Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin, am Mittwochvormittag vor der Presse hielt: Schon jetzt ist fast alles digitalisiert. „Die Aura des historischen Originals“, sagt er, „machen wir mit der Technik der Gegenwart zugänglich.“ Die meisten Objekte haben neben der Kurzbeschreibung auf Deutsch und Englisch einen QR-Code. Über das offene Wlan des Kulturwerks führt der direkt zu den digitalisierten Karten, Bildern und Büchern. Da kann man umblättern, was ja in Ausstellungen sonst nicht möglich ist.

Ein Globus von 1826 aus der Produktion des Berliner Unternehmens Schropp.
Ein Globus von 1826 aus der Produktion des Berliner Unternehmens Schropp.SBB-PK / 2022

Das Allerwertvollste lagert in der Schatzkammer. Man kennt es vom Märchen oder aus den Königspalästen. Im Kulturwerk geht es ein paar Stufen (oder per Aufzug) hinab in einen schummrigen Raum, in dessen Vitrinen die besonders empfindlichen Exponate präsentiert werden. Der Zauber des Seltenen mag den einen bei der niedersorbischen Übersetzung der Lutherbibel aus dem Jahr 1548 erfassen, den anderen vielleicht bei der ersten Ausgabe des „Struwwelpeter“ von 1846. Beeindruckend erscheint auch eine Abschrift der „Geschichte vom Prinzen Genji“ aus Japan, wie sie als Brautmitgift verwendet wurde. Das sind mit Tusche beschriftete Papiere vom Ende des 16. Jahrhunderts mit einem kleinen Holzschränkchen dazu, sozusagen der Einband dieses Buches.

Blätter von Bachs Partitur im zeitlichen Wechsel

Carola Pohlmann, die das Kuratorenteam der Ausstellung leitete, sagt, dies könne sie einfach nur schön finden, aber unter den 15 Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie zusammenarbeitet, gebe es auch dafür Experten. Sie führt die Besucher zu einem Notenblatt, dessen Anblick Musiker verzückt: Johann Sebastian Bach hat es im Jahr 1733 mit dem Kyrie aus der h-Moll-Messe beschrieben. Die Staatsbibliothek ist im Besitz der gesamten Partitur, im zeitlichen Wechsel dürfen einzelne Blätter betrachtet werden.

300 Objekte insgesamt lassen sich auf 1000 Quadratmetern in schnellen Augenschein nehmen oder stundenlang studieren. Noch leer sind weiße Räume neben den schwarzen, reserviert für künftige Sonderausstellungen, die erste gilt ab Mitte August dem Schaffen E.T.A. Hoffmanns. Überhaupt die Zukunft: Der Bibliothekschef sieht schon Schulkassen an den Vitrinen entlanggehen und verweist auf treppenartige Sitzmöglichkeiten für Seminare. Auch so soll das Wort Kulturwerk zu verstehen sein: für einen Ort des Dialogs. „Wir wollen Wissenskreisläufe schaffen“, sagt Achim Bonte. Die Bibliothek wolle nicht nur zum Arbeiten oder zum Schauen einladen, sie möchte auch vermehrt das Wissen aus der Bevölkerung in ihre Räume holen. Das klingt nach einer wirklich neuen Sache in Berlins alter Mitte.

Stabi Kulturwerk Unter den Linden 8, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Eintritt frei. www.stabi-kulturwerk.de