Nachruf auf Abraham B. Yehoshua: Das Herz gegenüber dem Tod öffnen
Präsident Herzog nennt Yehoshua einen der größten Schriftsteller Israels. Er selbst glaubte zum Schluss nicht mehr an die Zweistaatenlösung mit Palästina.

Stirbt eine prominente Person, muss, wer die Nachricht zuerst veröffentlicht, die Quelle dafür angeben. Als die Agentur dpa am Dienstagmorgen den Tod des Schriftstellers Abraham B. Yehoshua meldete, berief sie sich auf den israelischen Präsidenten Izchak Herzog. Er habe den Tod mitgeteilt und Yehoshua als „einen der größten Schriftsteller und Erzähler des Staates Israel“ bezeichnet. Die israelische Nationalbibliothek, die sein Archiv aufbewahrt, führe ihn als Synonym für moderne israelische Literatur.
In der Tat sind für die auf Hebräisch geschriebene Gegenwartsliteratur mindestens drei Namen zu nennen. Neben Yehoshua (oft auch Jehoschua geschrieben) sind das der 2018 verstorbene Amos Oz und David Grossman, Jahrgang 1954. Alle drei wurden mehrfach als Nobelpreiskandidaten gehandelt, alle drei eint der Einsatz für den Frieden im Nahen Osten. Sie haben sich in diesem Sinne auch gelegentlich für Appelle zusammengetan.
Yehoshuas Werke erschienen in 30 Sprachen
Abraham B. Yehoshua wurde am 9. Dezember 1936 in Jerusalem geboren. Als er 1963 nach dem Studium in Israel nach Frankreich zog, wo er an der Sorbonne lehrte, hatte er bereits seinen ersten Erzählungsband veröffentlicht. Bis Anfang dieses Jahrtausends unterrichtete Yehoshua in Haifa wie an britischen und US-amerikanischen Universitäten Literaturwissenschaft und Hebräische Literatur. Seine Stücke, Erzählungen, Essays und 14 Romane wurden in 30 Sprachen übersetzt. In der DDR erschienen in den 80er-Jahren Erzählungen unter dem Titel „Angesichts der Wälder“ und der Roman „Der Liebhaber“ im Verlag Volk und Welt.
Zuletzt kam auf Deutsch der Roman „Der Tunnel“ heraus (Verlag Nagel & Kimche), in dem ein pensionierter Straßenbauingenieur langsam dement wird. Mit nachsichtigem Humor schildert Yehoshua die Aussetzer des Mannes, der dann auf einer Reise in die eigene Vergangenheit bei einer Begegnung mit einem palästinensischen Mädchen landet. Wie zum Beispiel auch in den Romanen „Freundesfeuer“ (2010) und „Die Passion des Personalbeauftragten“ (2006) kommt der Grundkonflikt des Staates Israel also auf Umwege in die Erzählung.
Tote beider Seiten, Soldaten wie Passanten, die durch Raketen sterben, gibt es in Yehoshuas Büchern. „Als Schriftsteller ist es meine ethische Pflicht, mit meiner Feder die schwarze Plastikhülle zu durchstoßen, das Herz dem Tod gegenüber zu öffnen, mit Liebe und Mitleid“, beschrieb er sein Anliegen.
Doch als er bei Deutschlandfunk Kultur zum „Tunnel“ interviewt wurde, äußerte er sich resigniert in Bezug auf sein Lebensthema. Eine Zweistaatenlösung sei unmöglich geworden, sagte er im November 2019. Abraham B. Yehoshua machte die europäischen Staaten und die USA mit verantwortlich, weil sie sich „nicht vehement gegen diese Siedlungspolitik Israels ausgesprochen haben“.