Aktuelle Ereignisse verschieben schnell Themen, die weiterhin der Aufmerksamkeit bedürften, in den Schatten. Dieser Logik der Aufmerksamkeitsökonomie versuchen sich jetzt das PEN-Zentrum Deutschland und die Akademie der Künste entgegenzustellen, indem sie einen Abend für afghanische Literatur veranstalten.
Ein schwieriges Unterfangen war das in vielerlei Hinsicht, wie ein Telefonat mit Cornelia Zetzsche ergab, die im Übergangspräsidium des PEN-Zentrums Deutschland Beauftragte für „Writers in Prison“ ist und das Programm organsiert hat. Um ein möglichst großes Interesse beim Berliner Publikum zu wecken, sind auf der deutschsprachigen Seite mit Jenny Erpenbeck und Christoph Hein höchst prominente Autoren dabei, auch die Namen Yoko Tawada, Kathrin Röggla und Josef Haslinger dürften schon auf den ersten Blick vertraut sein.
Die Geschichten der Menschen
Mit Samy Hamed, Sadeq Osyan, Dastgir Farhood, Tamanna Tawangar, Wahab Mojeer und Abdul Manan Shiwaesharq sieht das anders aus. Von ihnen liegen hierzulande noch keine Bücher in den Buchhandlungen. Cornelia Zetzsche und ihren Kollegen ist aber daran gelegen, dass nicht nur über die Menschen in Afghanistan nach dem Abzug der USA und ihrer Verbündeten gesprochen wird. Sie sollen selbst zu Wort kommen.
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„Sie wollen sichtbar sein und sie wollen nicht nur als Opfer wahrgenommen werden, sondern als Künstler mit ihrer Arbeit“, sagt Zetzsche. In den vergangenen Monaten gelang es dem PEN, zehn Schriftstellerinnen und Schriftsteller und ihre großen Familien aus Afghanistan zu holen: etwa hundert Menschen. Die Autorenvereinigung kooperierte dabei mit der NGO Luftbrücke Kabul, dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium des Inneren und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Manuskripte auf dem Telefon
Als das Alltägliche für die Kollegen aus Afghanistan einigermaßen gesichert war, ging es für Cornelia Zetzsche darum, Texte zu bekommen und sie übersetzen zu lassen. Einige von ihnen seien ohne Laptop und Manuskripte ausgereist, hatten die Dokumente gerade mal auf ihren Handys. Aber das ist inzwischen alles geregelt. Die deutschen Autorinnen und Autoren haben an dem Abend jeweils einen afghanischen Tandem-Partner, lesen die Übersetzung, werden mithilfe von Dolmetschern kurze Gespräche dazu führen.
Es wird auch Musik geben, der Sänger Delagha Surood unterbricht dafür extra seine Tournee. Außerdem liest die Schauspielerin Valery Tscheplanowa Texte verfolgter Autoren aus anderen Teilen der Welt – aus der Türkei, Indien, Kasachstan, Ägypten und Kuba. Ein volles Programm für eine auf drei Stunden angesetzte Veranstaltung. Spenden seien sehr willkommen, sagt Cornelia Zetzsche dann noch.
Lesung und Gespräch: Donnerstag, 8. September, 19 Uhr, Akademie der Künste, Pariser Platz, Eintritt: 15 Euro, ermäßigt 10 Euro