Zum Tod des Dichters Thomas Rosenlöcher: Heitere Schimpfkultur
In Dresden geboren, beharrte er auf manch östlicher Eigenheit auch in der Einheit der Deutschen. Er war ein Chronist der Wende und Bewunderer der Kunst.

Der Dichter und Erzähler Thomas Rosenlöcher, ein Autor, der Ironie immer leicht und nie verletzend klingen ließ, ist tot. Am 29. Juli 1947 in Dresden geboren, hat er die Stadt oft beschrieben, zum Klingen gebracht: Ihre stolze und ihre schwere Geschichte, ihre Behäbigkeit und das reizvoll Gemütliche. Durch seinen besonderen Ton erreichten Rosenlöchers Betrachtungen des Umbruchs im Osten gleichermaßen die Leser, denen das sächsische Idiom und die sächsische Seele vertraut waren wie die gewissermaßen von außen Lesenden. Genannt seien hier nur „Die verkauften Pflastersteine“ (1990) und „Die Entdeckung des Gehens beim Wandern“ (1991). Als die Wiedervereinigung der Deutschen schon ein paar Jahre währte, legte er 1997 mit „Ostgezeter. Beiträge zur Schimpfkultur“ nach. Er pochte im Gemeinsamen auch auf die Unterschiede.
Rosenlöcher hat Betriebswirtschaft studiert und als Arbeitsökonom gearbeitet, bevor er mit dem Schreiben begann, am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig studierte und dann am Theater arbeitete. Als er 1983 freier Schriftsteller wurde, war sein erster Gedichtband „Ich lag im Garten bei Kleinzschachwitz“ schon erschienen. Seine heitere Ironie kennt auch dunkle Töne. Im Band „Schneebier“ von 1988 ließ er den „Engel mit der Eisenbahnermütze“ auftreten, eine Gestalt aus den Kriegen: „Er steht im Schnee, wo alle Züge enden./ Und zählt die Toten, die man, Stück für Stück,/ an ihm vorüberträgt, von links nach rechts.“ Die letzten Verse lauten: „So zählt er immer noch am letzten Krieg,/ obwohl der nächste schon gesichert ist/ und wieder Tote angeliefert werden.“
Die Natur ließ den Dichter staunen, die Bildenden Künste auch, schön nachzulesen in dem Band mit zwei Erzählungen „Wie ich in Ludwig Richters Brautzug verschwand“ (2005). Und für Kinder fand er kurze Sätze, an denen die Vorleser zu knabbern hatten, wie in dem Buch „Der Mann, der lieber tot sein wollte“. Der Titel seines letzten Gedichtbandes „Hirngefunkel“ von 2012 kann für sein gesamtes Werk stehen: gescheit und versponnen, durchdacht und licht. Thomas Rosenlöcher erhielt viele Auszeichnungen, zuletzt die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung. Er starb in der Nacht zum Mittwoch nach schwerer Krankheit in Kreischa bei Dresden.