Berlin-Was für eine großartige Wahl! Die Jury des Man-Booker-Preises hat am Mittwochabend bekannt gegeben, dass die niederländische Autor*in Marieke Lucas Rijneveld, die sich geschlechtsneutral als nicht-binäre Person identifiziert, die Auszeichnung für ihren Debütroman „Was man sät“ erhält (Suhrkamp, 2019). Sie teilt sich den Preis mit der Übersetzerin Michele Hutchinson. Der Preis ist mit 50.000 Pfund dotiert und wird zwischen der Autorin und der Übersetzerin aufgeteilt. Der Man-Booker-Preis würdigt jedes Jahr ein fremdsprachiges, ins Englische übertragenes und in Großbritannien veröffentlichtes Buch (Roman oder Erzählungen). Aus Respekt für die Autor*in verwenden wir in jedem Absatz ein anderes Geschlecht.
Gleich drei Besonderheiten gibt es zu vermelden: Noch nie wurde der Preis an einen Niederländer vergeben. Noch nie war ein Gewinner so jung. Noch nie hat ein Schriftsteller, der sich öffentlich als nicht-binär bezeichnet, den Man-Booker-Preis erhalten. Marieke Rijneveld wurde 1991 geboren und wuchs auf einer Farm in Nordbrabant auf. Mit drei Jahren erlebte er ein Trauma, das sein schriftstellerisches Schaffen tief prägen sollte: den Tod des Bruders.
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Schon der Gedichtband „Kalfsvlies“ (2015) beschäftigt sich mit dem frühen Verlust, aber auch ihr ausgezeichneter Debütroman „The Discomfort of Evening“, an dem die Autorin sechs Jahre lang gearbeitet hat. Zum Schreiben kam Rijneveld, nachdem sie als Kind jede Woche zu Therapiesitzungen ging und im Wartezimmer auf kleine Wandgemälde starrte, die mit Poesiesprüchen untertitelt waren. Danach begann sie, eigene Texte zu verfassen.

Sein Werk zeichnet sich durch radikales Grenzgängertum aus. Der Autor findet düstere Metaphern, dystopische Bilder für einen Seelenzustand, der von tiefer Zerrissenheit geprägt ist. In dem Debütroman seziert er aus Kindesperspektive die protestantische Strenge eines niederländischen Dorfes, enttarnt aufgestaute Aggressionen und kleingeistige Strenge mit einer verträumten, sensiblen Sprache. Der Schriftsteller bildet ab, wie unterdrückte Gefühle, Trauer und Schmerz zu Hass und Gewalt führen – an den Tieren, an der Umwelt, an den Mitmenschen.

Gar kein Zweifel: Die Wirklichkeit, die Rijneveld zeichnet, ist düster und trostlos. Aber warum sollte es auch anders sein? Die Welt, wie wir sie heute kennen, hat kein besseres Urteil verdient.