Berlin-Der markante Schnauzbart, so gestand Ulrich Kienzle einmal mit hintergründigem Lächeln, sei ihm eher aus Verzweiflung gewachsen. Nachdem er 1977 als ARD-Korrespondent in einem umstrittenen Bericht über die geheime Unterstützung Israels für die südlibanesischen Maroniten im Bürgerkrieg berichtet hatte, wurde er nach Intervention des israelischen Botschafters von der Stelle abgezogen und nach Südafrika versetzt, obwohl Kienzles Version des Sachverhalts sich später vollauf bestätigte. Aber selbst der Wechsel auf den neuen Posten verlief nicht reibungslos. Weil der 1936 in Neckargröningen im Kreis Ludwigsburg geborene Journalist gut ein halbes Jahr lang auf sein Arbeitsvisum warten musste, ließ er die Barthaare sprießen. Die über der Oberlippe blieben stehen und wurden bald zu einem unverwechselbaren Markenzeichen der politischen Auslandsberichterstattung des deutschen Fernsehens.

Menschenkenntnis und Robustheit
Angefangen hat Kienzle nach einem Studium in Kunstgeschichte und Germanistik als Redakteur der „Abendschau“ des Süddeutschen Rundfunks (SR). Nach einer Station beim WDR wechselte er 1972 zu Dagobert Lindlau in die Redaktion des Auslandsmagazins „Kompass“ vom Bayerischen Rundfunk (BR).
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Namen wie Lindlau und Gerhard Konzelmann, dessen Nachfolger Kienzle als ARD-Korrespondent für die Arabische Welt wurde, prägten den TV-Journalismus, für den die Auslandsposten zu dieser Zeit noch die Königsdisziplin der Fernsehberichterstattung bildeten. Menschenkenntnis, genaue Beobachtungsgabe und eine Robustheit in politischen Auseinandersetzungen waren Basisqualifikationen einer Tätigkeit, für die Kienzles Schnäuzer gewissermaßen die nötige Kantigkeit signalisierte.
Ein bisschen "Muppet Show"
Dabei war Ulrich Kienzle trotz aller Geistesgegenwart, die die TV-Präsenz verlangt, ein eher nachdenklicher Zeitgenosse, der sich nicht scheute, Fehler einzugestehen. In seine Sendeverantwortung fiel 1988 das Gladbecker Geiseldrama, in dessen Verlauf der Haupttäter Hans-Jürgen Rösner Interviews vor laufender Kamera geben durfte. Und nachdem Kienzle 1990 ein umstrittenes Interview mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein geführte hatte, nannte er das vertraute Händeschütteln mit Saddam später einen seiner peinlichsten Momente.
Die Peinlichkeit zu einem Sendeprinzip zu machen, wurde dann aber zur zündenden Idee des stark ins Satirische tendierenden Magazins „Frontal“ im ZDF. Zusammen mit seinem Kollegen Bodo H. Hauser focht Kienzle in den Moderationen symbolisch und oft auch mit ernster Intention politische Streitigkeiten aus, die das Sendeformat aus einer pseudoneutralen Objektivität heraushob. Hauser und Kienzle wurden zu politischen Pendants des Duos Waldorf und Statler aus der „Muppet Show“. Am Donnerstag ist Ulrich Kienzle im Alter von 83 Jahren gestorben.