Maybrit Illner: Beim Thema Ehe für alle gerät Annegret Kramp-Karrenbauer ins Schwimmen
Berlin/Frankfurt am Main - Kandidaten-Check vor laufender Kamera: Maybrit Illner macht’s möglich. „Können Sie Kanzler?“ fragte die Moderatorin in ihrer Talkshow Annegret Kramp-Karrenbauer, bis eben noch die Generalsekretärin der CDU und nun Bewerberin um den Parteivorsitz. Die hatte sich entschieden, den Auftritt im Fernsehstudio wie einen Besuch bei der Basis als Eigenwerbung zu nutzen.
Ob wir nächstens Friedrich Merz oder Jens Spahn dort erleben dürfen? Spätestens dann müssten die SPD-Mitglieder im ZDF-Fernsehrat die gute alte Forderung nach „Ausgewogenheit“ wieder strapazieren.
Zwischen Solidarität und Abgrenzung
Was sie anders machen würde, war Illners erste Frage an die Kandidatin. Zur Gratwanderung genötigt zwischen Solidarität mit und Abgrenzung zu Angela Merkel, formulierte sie erneut, sie würde den Debattenstil innerhalb der Partei ändern. „Den Text kennen wir von Ihnen“, konterte Illner. Im Stakkato ging es um aktuelle politische Themen, nach dem Motto. „Wie hältst Du’s mit...“: der Rente, dem Mindestlohn, dem Kohleausstieg oder der Hardware-Nachrüstung bei Dieselautos.
Illners Thema lautete eigentlich „Neue Bündnisse, alte Fronten – was folgt auf Merkel?“, aber selbstverständlich ging es eher um die Personen, also: Wer folgt auf Merkel? Publizist Michael Spreng, Politikberater einst auch für Edmund Stoiber, bescheinigte der Saarländerin, „Kandidatin der Herzen“ für die Christdemokraten zu sein, Friedrich Merz hingegen sei der Mann für die „Machtvernunft“.
Letztlich geht es um die Kanzlerschaft
Denn natürlich gehe es nur vordergründig um den Parteivorsitz, letztlich aber um die Kanzlerschaft: Wenn die CDU sich wohlfühlen wolle, werden AKK obsiegen, lege die Partei aber Wert darauf, Wahlen zu gewinnen, werde Merz die Oberhand behalten. Auch Spreng hatte eine Idee, was die CDU künftig tun müsse: Ihre Politik „neu überdenken und besser formulieren“.
Es war ein wenig seltsam, dass diesmal die Gäste über eine aus der Runde sprachen, aber Illner gab der Kandidatin ausreichend Gelegenheit sich zu äußern – auch sich zu wehren. Denn auf ihre ablehnende Haltung zur Ehe für alle angesprochen, stieß Kramp-Karrenbauer nicht nur auf Widerspruch bei Kevin Kühnert.
Der Vorsitzende der Jungsozialisten fühlte sich als offen seine Homosexualität lebender Mann diskreditiert, während die CDU-Frau wortreich zu begründen versuchte, warum sie das Gesetz abgelehnt habe und weshalb sie dazu stehe.Doch Spreng warf ihr vor, die Begründung seinerzeit sei reaktionär gewesen, wie sie mit Gefahren durch Inzest und Polygamie argumentiert habe. Da geriet die Politikerin doch ins Schwimmen.
Das Thema war aufgekommen, weil ein Einspieler die Erfolge Merkels bei der Modernisierung von Partei (und damit auch der Gesellschaft) zum Thema gemacht hatte: wie den Atomausstieg, die Abschaffung der Wehrpflicht, den Mindestlohn und eben die Ehe für alle. Spreng zufolge hatte Merkels Strategie der „asymmetrischen Demobilisierung“, also das Einschläfern des Wahlvolks, bis zur jüngsten Hessenwahl funktioniert. Nun aber sei das Volk aufgewacht und höchst mobilisiert, und damit sei auch Merkels Art, Politik zu machen, an ein Ende gekommen.
Ende der großen Koalition?
Ob die große Koalition damit ebenfalls an ein Ende gekommen ist? Janine Wissler, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Hessischen Landtag, bescheinigte der GroKo ein „desaströses Bild“. Kramp-Karrenbauer wies auf einmal geschlossene Verträge zwischen Union und SPD hin. Doch Kevin Kühnert drohte schon mal damit, man müsse „ein paar Sachen ganz gewaltig geraderücken“, und musste sich von Spreng als „Sterbehelfer der SPD“ etikettieren lassen.
Der Publizist, ehemals Chef der Bild, glaubt, dass die Genossen eine Hürde aufbauen würden, über die die CDU nicht springen könne – ein Fehler, müsse die Partei doch versuchen, sich innerhalb der GroKo zu stabilisieren. Ein Ausstieg sei „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“.
Kühnert hielt dagegen: Es werde nicht reichen, Koalitionsverträge abzuarbeiten, denn „die Ungeduld steigt“, etwa beim Thema Diesel. Bei letzterem wurde deutlich, dass auch AKK vor der Automobilindustrie kuschen und die Konzerne als Verursacher nicht zur Kasse bitten würde. Stattdessen sollen die betrogenen Autofahrer nun von einem Fonds entschädigt werden.
Merz Rolle bei Blackrock wird nicht zum Thema
Also doch ein „Weiter so“? Mit Friedrich Merz, wiewohl einst Fraktionschef der CDU, komme doch ein Neuer, befand Wolfgang Kubicki, stellvertretender Parteivorsitzender der FDP. Er wies darauf hin, dass seit der Hessenwahl die CDU nicht mehr über eine strategische Mehrheit verfüge, glaubt aber auch, dass mit einer konservativeren CDU-Spitze die AfD um fünf Prozent schrumpfen würde. Merz habe auf jeden Fall ein rechtskonservatives Familienbild, sagte Janine Wissler, und er stehe für den überkommenen Neoliberalismus. Seine Rolle bei der wegen der Cum-Ex Betrügereien ins Zwielicht geratenen Fondsgesellschaft „Blackrock“ wurde nicht Thema (auch Kubicki ist als Anwalt für einen der Drahtzieher der Deals tätig).
Wie sagte Annegret Kramp-Karrenbauer zu ihren Aussichten: „Die Menschen wollen am Ende des Tages jemanden, der es ernst mit ihnen meint.“ Aber so ein Tag kann ganz schön lang werden.