Maybrit Illner: Thema Europa: Angela Merkel kämpft um ihre Macht
Berlin - Matthias Fornoff, Leiter der Redaktion „Politik und Zeitgeschehen“ beim ZDF, vertrat Maybrit Illner an diesem Abend, und er fasste die Lage mit seinem Eingangsstatement treffend zusammen. Was seit Jahren nicht gelinge, die Einigung auf eine gemeinsame europäische Politik in Fragen der Migration, solle nun in zehn Tagen geschehen. So lautet die von der CSU als Kompromiss verkaufte Forderung an Kanzlerin Angela Merkel, die dann auch noch behauptet, sie habe sich die Frist selbst gesetzt. Das wurde im Einspieler als „vorauseilender Gehorsam“ bezeichnet. Ein Triumph für die CSU.
Deren Landesgruppenchef Alexander Dobrindt war auch zu Gast in der Runde und bemühte als Argument für den politischen Amoklauf seines Parteifreundes Seehofer die „Akzeptanz der Bevölkerung“, die es zu sichern gelte. Also jene Akzeptanz, die seinesgleichen erst durch Panikmache verringert, um sich dann – der Feuerwehrmann als Brandstifter – als Problemlöser zu präsentieren: Man habe eine Situation, in der politisches Handeln gefragt sei; damit meinte er vermutlich die anstehende Wahl in Bayern. Tatsächlich ist ja das absurde Polit-Theater von der kleinen bayerischen Partei aus Angst vor einer Wählerabwanderung zur AfD inszeniert worden.
Seehofers Vorhaben ist nicht rechtens
Nur: Das Vorhaben des Innenministers, alle diejenigen an der Grenze abzuweisen, die bereits anderswo registriert sind, ist nicht rechtens. Diese Meinung so einiger Experten teilte jetzt in der Sendung auch der Jurist und Asylrechtsexperte Constantin Hruschka. Nach dem Schengener Abkommen gilt zum Beispiel die deutsch-österreichische Grenze als Binnengrenze, und es habe nun mal jede dort ankommende Person das Recht auf ein Verfahren. Dass der CSU-Politiker widersprach und den „gesunden Menschenverstand“ bemühte, der das nicht verstehe, wirkte nicht eben überzeugend.
Aber um Argumente geht es den Bayern nicht. „Hat Angela Merkel das uneingeschränkte Vertrauen der CSU“, wollte Fornoff wissen. Er bekam keine bejahende Antwort. Spielraum für Interpretationen ließ auch der Satz Volker Bouffiers: „Es geht nicht um Angela Merkel.“
CDU-Ministerpräsident Hessens ruft zur Besonnenheit auf
Bislang hatte sich der CDU-Ministerpräsident Hessens ja eindeutig auf die Seite der Kanzlerin geschlagen. Er gab den Staatsmann in dieser Runde und riet zur Besonnenheit; man solle sich nicht überfordern, und die europäische Lösung sei in zehn Tagen ohnehin nicht zu schaffen. Er bemühte gar CDU-Übervater Helmut Kohl, der ihn gelehrt habe, dass deutsche und europäische Interessen identisch seien.
Es gehe darum, so Bouffier, das große Thema Migration anzupacken unter der Frage: Was können wir tun? Er versuchte auch den Druck aus der Debatte der Schwesterparteien zu nehmen, indem er auf die sinkende Zahl von Schutzsuchenden hinwies und an einem Beispiel die Problematik der CSU-Forderung klarmachte: Er fragte Karin Kneissl, die (parteilose) Außenministerin Österreichs, wie sie zum Beispiel mit einem Manne umzugehen gedenke, der etwa in Bulgarien angekommen und dann mit dem Ziel Deutschland in Österreich gelandet sei.
Kneissl wies darauf hin, dass es bereits Zurückweisungen gebe, schlug aber dann den großen weltpolitischen Bogen, wobei sie zurecht auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Länder hinwies, aus denen die Ankömmlinge stammen. Martin Schulz, SPD, vor seiner Zeit als Kanzlerkandidat Mitglied des Europäischen Parlaments, griff das auf als Beleg dafür, dass wir im multilateralen Zeitalter leben.
Deshalb brauche man die Solidarität aller Europäer, forderte er mit Hinweis auf die Polen, die sich weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen, aber Geld von der EU abgriffen. Kneissl sah die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Lösung ebenfalls, dazu werde der Domino-Effekt durch abgelehnte Bewerber zwingen.
Italien macht dicht
Nach Italien jedenfalls werden sie nicht zurück können. Da ist der neue Innenminister von der rechten Lega Nord vor, Matteo Salvini, ein Populist unreinsten Wassers. Der wolle Angela Merkel schwächen, sagte Tonia Mastrobuoni, Korrespondentin der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. Dabei sei Merkel die beste Verbündete Italiens. Die Journalistin charakterisierte die aktuelle Regierung ihres Landes als „schizophren“. Sie wies aber auch auf die seltsam gespaltene Haltung der Bundesregierung hin: Man schaue Italien bei dessen Defizit auf die Finger, sei aber seit Jahren „weicher“ im Umgang mit Polens Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen.
Bouffier räumte ein, dass man in der Vergangenheit Italien und Griechenland alleine gelassen habe und bemühte noch einmal die Historie. Wir hätten die Wiedervereinigung nie erreicht, wenn man nicht deutsche und europäische Interessen zusammengedacht hätte. Man solle den Leuten nun nicht vorgaukeln, jedes Land könne die Probleme alleine lösen. Alexander Dobrindt wird die Anspielung verstanden haben. Ein Name fiel übrigens in der gesamten Sendung nicht: AfD. Aber deren Rolle hat ja schon die CSU übernommen.