Medienimperium: Murdoch holt verlorenen Sohn zurück

Ob Rupert Murdoch ins Überlegen kam, damals, als er den Roman „Family Business“ las? Der 1988 veröffentlichte Roman handelt vom Tod eines Medienunternehmers, dessen drei Kinder um das Erbe streiten, weil er seine Nachfolge nicht geregelt hat. Geschrieben hat ihn Anna Murdoch, die zweite Frau des Medienunternehmers. Ihr Romanheld habe nie an die Zukunft denken wollen, schrieb sie. „Schließlich stand er auf dem Gipfel seiner beruflichen Laufbahn. Einen Nachfolger auszuwählen, hätte seiner Meinung nach bedeutet, sich sein eigenes Grab zu schaufeln.“ Dass sie über ihn schrieb, muss Rupert Murdoch klar gewesen sein.

Möglich, dass Murdoch das Scheitern der Nachfolge damals als blühende Fantasie weit von sich schob. Möglich auch, dass er heute im Werk seiner ehemaligen Frau eine tiefere Wahrheit erblicken würde. Murdoch ist inzwischen 83 Jahre alt und kann die Frage nach der Nachfolge nicht mehr verdrängen. Ihre Regelung scheint mittlerweile seine größte Herausforderung zu sein. Andererseits ist erstaunlich, wie er mit einem Handstreich in seinem Konzern durchregieren und seine Söhne einfach so an die Spitze hieven kann. Und das, obwohl das Unternehmen an der Börse notiert ist (Börsenwert: rund 83 Milliarden Dollar) und Murdoch an den Kapitalanteilen keine Mehrheit hält. Möglich ist das nur, weil er über eine komplizierte Konstruktion die Stimmrechte kontrolliert.

Vor zwei Wochen überraschte er mit der Nachricht, dass sein ältester Sohn Lachlan, 42, zum zweiten Mal eine Spitzenposition in seinem Medienunternehmen übernimmt. Das Unternehmen ist seit vergangenem Jahr in zwei Firmen aufgespaltet: die Film- und Fernsehsparte bei 21st Century Fox, wozu Fox-Fernsehsender, Beteiligung am Bezahlsender Sky Deutschland und das Hollywood-Studio 20th Century Fox gehören, sowie die Zeitungssparte, zu der die Londoner Times, die New York Post und das Wall Street Journal gehören, bei News Corp.

Lachlan galt seit dem Zerwürfnis 2005 als verlorener Sohn. Er zog nach Australien und investierte dort in eigene Mediengeschäfte. Jahrelang war unklar, ob er zurückkehren würde. Er schien damit abgeschlossen zu haben. Klar war hingegen, dass sein Vater sich nichts sehnlicher wünschte – schließlich hatte er ihn einst als seinen Nachfolger aufgebaut und zu seinem Stellvertreter im Konzern gemacht. Nun wird Lachlan an der Seite seines Vaters Co-Verwaltungsratschef bei den beiden von der Familie kontrollierten Medienfirmen. „Lachlan ist ein strategisch denkender, talentierter Manager mit einem breiten Wissen über unser Geschäft“, lobte Murdoch seinen Sohn.

Weniger überraschend, aber für Murdoch genauso wichtig ist die Beförderung von James, Lachlans ein Jahr jüngerem Bruder. Auf James lagen seit 2005 alle Hoffnungen. Seit der Abhöraffäre in Großbritannien ist er jedoch angeschlagen, schließlich verantwortete er diesen Verlagszweig. Nun verkündete der Vater, James werde mit Manager Chase Carey das Tagesgeschäft bei 21st Century Fox leiten und somit auch für Sky Deutschland zuständig bleiben. Der Vater bleibt Präsident und Vorstandschef von 21st Century Fox sowie Exekutivpräsident bei News Corp.

Lange sah es danach aus, als würde James alleine fortführen, was der Vater aufgebaut hat. Doch langfristig war die Situation unklar, denn das alleinige Sagen im Trust, der die Stimmrechte bündelt, hat James nicht. Er muss es sich mit Lachlan, Elisabeth und Stiefschwester Prudence teilen. Bei Konflikten drohte ein Patt.

Zum Schwimmen lernen in den Pool geworfen

Dem Vater hat das offenbar gefallen. Er verfuhr mit seinen drei Kindern aus zweiter Ehe, Elisabeth, 45, Lachlan und James, so wie seine Mutter, die ihn einst einfach in einen Pool warf, damit er schwimmen lernte, wie er gerne erzählte. Auch er warf seine Kinder ins Wasser und wollte sehen, ob sie sich freischwimmen und durchsetzen können. Die Kinder handelten jahrelang so, als müssten sie dem Vater etwas beweisen. Als der Vater Lachlan wiederholt beförderte, sagte seine Schwester Elisabeth, sie habe das Gefühl, sie müsse sich beeilen. Doch irgendwann hatte sie genug vom Konkurrenzkampf ums Erbe und verließ das Unternehmen.

Wie gelang es dem Vater, den Sohn zurück ins Unternehmen zu holen? Das hat vielleicht auch mit Murdochs Scheidung von seiner dritten Ehefrau Wendi Deng zu tun. Und vermutlich auch mit seiner Mutter Elisabeth. Solange er sich selbst in der Rolle des Sohnes sah, hatte er es mit der Nachfolge nicht eilig. Obwohl oder weil er vor mehr als zehn Jahren eine Krebserkrankung überstanden hat, glaubte er, jede Menge Zeit für die Nachfolge-regelung zu haben. Im Dezember 2012 ist seine Mutter im Alter von 103 Jahren gestorben. Als Gerüchte von einer Affäre seiner Frau mit Tony Blair kursierten, reichte Murdoch 2013 die Scheidung von Wendi ein. Die Kinder aus zweiter Ehe fürchteten stets, der Vater könnte versuchen, deren beide Töchter ihnen gleichzustellen, denn darauf bestand ihre Mutter. Seit der Scheidung ist nun klar, dass der Vater das nicht durchsetzen wird. Dabei konnte Rupert Murdoch das ohnehin nicht erzwingen. Aber seit der Scheidung kamen die Söhne dem Vater angeblich näher.

Nach außen gaben sich die Kinder gelassen: James sagte vor Jahren, die Spekulationen über die Nachfolge interessierten ihn nicht wirklich. News Corp sei eine große Firma. „Es ist genügend Platz für uns alle.“ Die Kinder seien nicht zerstritten, schrieb Murdochs Biograf Michael Wolff 2009, doch in seinen Gesprächen nahm er feine Risse zwischen ihnen wahr: Auf der einen Seite Lachlan und Elisabeth, die das Unternehmen verlassen haben. Auf der anderen Seite James und Prudence, die mehr zu ihrem Vater hielten. Alle vier seien im Gegensatz zum Vater, der als konservativ gilt, „viel liberaler“, schrieb Wolff. Bei einer der seltenen Gelegenheiten, bei der Rupert Murdoch gegenüber Wolff über die Situation nach seinem Tod sprach, spekulierte er, dass seine Tochter Elisabeth nach dem möglichen Verkauf ihrer TV-Produktionsgesellschaft Shine Anteile an News erwerben und „James Ärger bereiten“ werde.

2011 verkaufte sie Shine tatsächlich und zwar an die News Corporation ihres Vaters. Der zahlte dafür einen dreistelligen Millionenbetrag. Ein hoher Preis, kritisierten Aktionäre. Murdoch behandle die Firma wie einen Laden, der der Familie gehört. Er schüttelt solche Kritik ab. Sie stimmt ja auch. Dass Elisabeth nicht – wie zunächst geplant – in den Verwaltungsrat der News Corporation einrückte, mag ihn enttäuscht haben. Seine beiden Söhne sind jetzt jedoch in wichtigen Positionen in seinem Unternehmen vereint. Vermutlich nahm er den Roman seiner zweiten Frau doch ernster, als er damals zeigen wollte.