Mitte: Galerist will Chipperfield-Haus nun doch nicht den Staatlichen Museen schenken

Die kulturpolitische Bombe schlug um 15.17 am Mittwochnachmittag ein: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz teilte mit, „völlig unvermittelt“ habe der Sammler und Mäzen Heiner Bastian entschieden, sein Galeriehaus am Kupfergraben 30 nun doch nicht zu schenken. Man nehme die Entscheidung „mit großem Unverständnis und Bedauern zur Kenntnis“. „Das ist äußerst bedauerlich und auch etwas irritierend“, sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger der Berliner Zeitung.

Bisher nämlich seien alle Gespräche „in bestem Einvernehmen“ verlaufen. In diesem Jahr wollte die Stiftung das Gebäude übernehmen, um darin 2018 ein „Zentrum für kulturelle Bildung und Vermittlung“  einzurichten.

Die „emotionale Bindung“ sei zu groß

Die Familie Bastian bestätigte der Berliner Zeitung auf Nachfrage, dass die Schenkung zurückgezogen sei: Es erschiene immer „unmöglicher“, hieß es dann auch in ihrer Pressemitteilung, sich von dem gemeinsam mit David Chipperfield und Alexander Schwarz entworfenen Bau zu trennen. Die „emotionale Bindung“ sei zu groß. Davon habe man bereits „vor einigen Tagen“ Stiftungspräsident Hermann Parzinger informiert.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters wurde erst am Dienstag von der Preußen-Stiftung informiert. Ihr Sprecher betonte gegenüber der Berliner Zeitung ebenfalls den „einmaligen Vorgang“, der angesichts der bisher „einvernehmlichen Verhandlungen“ und intensiven Vorbereitung des Schenkungsvertrags unverständlich sei.

Bastians Entschluss ist die neueste Volte in einem Drama, das vorletztes Jahr begann. Die Preußen-Stiftung entwickelte damals eine überaus komplizierte Konstruktion, um das finanziell eigentlich nicht erreichbare Gebäude erwerben zu können: Der schwäbische Kunst- und Museumsmäzen Reinhold Wirth sollte das Haus von den Bastians kaufen und es dann den Staatlichen Museen als Wirth-Bastian- oder Bastian-Wirth-Stiftung überlassen.

Bevor  geklärt war, wem der Bau dann mit allen Folgekosten gehören würde, entschloss sich die Familie Bastian zum scharfen Schnitt und schenkte das Gebäude den Staatlichen Museen. Angesichts des Wertes des Hauses in allerbester Berliner Lage ein überaus großmütiger Akt, von dem die Stiftung Preußischer Kulturbesitz genauso überrascht wurde wie jetzt von der Rücknahme dieses „Geschenks“ kurz vor Unterzeichnung der Verträge.

Am Telefon teilte die Sprecherin von Bastian mit – er selbst war nicht zu erreichen – dass die Rücknahme auch etwas zu tun gehabt habe mit der geplanten Nutzung der Galerie säle als Bildungszentrum. Parzinger nannte diese Begründung fadenscheinig, die Nutzung für pädagogische Zwecke sei von Anfang an klar gewesen. Mit Bastian noch einmal zu sprechen, hält er für aussichtslos.

Warum die Staatlichen Museen in diesem vorzüglichen Galeriegebäude mit seinem wunderbarem Licht ausgerechnet eine vor allem aus Büro- und Schulungsräumen bestehende Institution einrichten wollten, für die viele Umbauten notwendig gewesen wären, war tatsächlich immer unklar. Zumal deren Konzept, Aufgaben und Profil bisher sehr vage skizziert wurde. Viel sinnvoller wäre es sicherlich gewesen, die Bastian-Galerie als Sonderausstellungsraum für die Museumsinsel zu nutzen und die didaktischen Einrichtungen eng an die Ausstellungsräume auf der Museumsinsel zu binden.

Nun ist das Desaster für die Preußen-Stiftung vollkommen

Nun ist das Desaster für die Preußen-Stiftung vollkommen. Sie hat einen vorzüglichen Veranstaltungs- und Ausstellungsort verloren, wie er so nahe an der Museumsinsel nicht mehr zu finden sein wird. Sie hat den Sammler Wirth vor den Kopf gestoßen, und ob die Beziehung zum Sammler Bastian noch einzurenken sein wird, muss sich zeigen. Die Skepsis gegenüber der auch baupolitischen Abhängigkeit der Preußen-Stiftung von den Mäzenen wurde wieder einmal bestätigt: Hat doch ihr Einfluss auch dazu geführt, dass der umstrittene Museumsneubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts mitten auf dem Kulturforum errichtet wird und nicht etwas verborgener, aber sinnvoller auf einem Randgrundstück.

Tapfer verkünden nun die Staatlichen Museen, sie würden weiterhin an der Idee eines Bildungszentrums in direkter Umgebung der Museumsinsel festhalten. Aber wohin mit ihr? In die nachzubauende Bauakademie? Auf die erheben auch viele andere Institutionen einen Nutzungsanspruch. Zudem  sie reichlich abgelegen ist für ein solches „Zentrum“. Die mühsam genug frei geschlagenen Räume der Museumsbibliothek im Humboldtforum sind als Humboldt-Akademie annonciert. Noch sinnvoller wäre es, diese hohen Säle etwa für die Pazifik-Sammlungen zu nutzen. Also das einstige Kronprinzenpalais? Aber sind dessen repräsentative Räume nicht zu kostbar?

Die Rücknahme des Geschenks wirft also viele Fragen auf. Sicher ist nur eins: Die Stadt Berlin sollte schnellstens alle planungsrechtlichen Mittel ergreifen, um eine künftige Umnutzung des Ex-Geschenks für ein lukratives Büro- oder Wohngebäude zu verhindern. Nicht jede Laune von Mäzenen muss tatenlos hingenommen werden. (mit Susanne Lenz)