Die Jazzrock-Saxophonistin Barbara Thompson ist tot
Sie spielte mit ihrem Mann Jon Hiseman bei Colosseum und dem United Jazz & Rock Ensemble. Nun ist Barbara Thompson mit 77 Jahren gestorben.

Wozu Abschiede? Das Bedürfnis jedenfalls, niemals „Goodbye“ zu sagen, schien die britische Saxophonistin und Komponistin Barbara Thompson schon vor zwei Jahrzehnten verspürt zu haben. Als sie 2005 mit ihrer Band Paraphernalia auf die „Never Say Goodbye“-Tour ging und dabei auch in vielen deutschen Städten Station machte, galt sie bereits als Urgestein des Jazzrock, der später zur genaueren Klassifizierung auch als Fusion-Jazz bezeichnet wurde. Vokabeln, mit denen die sowohl kraftvoll-geradlinig als auch sphärisch-sensibel intonierende Musikerin wenig anzufangen wusste. Für sie und ihren Ehemann Jon Hiseman, dem langjährigen Schlagzeuger der Band Colosseum, war es immer nur die Musik, die sie machen wollten.
Begegnet waren sie – 1944 in Oxford und London geboren – einander bereits in den 60er-Jahren im New Jazz Orchestra, zu dessen Mitbegründern Hiseman gehörte. Den Mix aus Rhythm & Blues und Modern Jazz verfeinerten sie im in den 70er-Jahren einflussreichen Avantgardeprojekt Colosseum, bei dem Thompson gelegentlich auch für Studioaufnahmen mitwirkte. Die Übergänge von Jazz und Rock waren fließend, so spielte Hiseman zusammen mit Jack Bruce von Cream, und als Schlagzeuger war er Nachfolger des legendären Ginger Baker bei The Graham Bond Organisation, zu dem auch Dick Heckstall-Smith gehörte.
Von Colosseum zum United Jazz & Rock Ensemble
Was heute nach dick aufgetragenem Namedropping klingt, atmete in den 70er-Jahren den Geist lockerer Kooperationen, die man aus musikalischer Experimentierfreude einging und wieder verließ, wenn neue Impulse darauf warteten, erprobt zu werden. Auf diese Weise kam auch die deutsche Jazz-Szene zu einem ihrer aufregendsten Projekte, dem United Jazz & Rock Ensemble. Neben Barbara Thompson und dem 2018 gestorbenen Jon Hiseman spielten hier ab Mitte der 70er-Jahre Volker Kriegel, Wolfgang Dauner, Albert Mangelsdorff, Eberhard Weber, Ian Carr, Ack von Rooyen und Charlie Mariano, die binnen kurzer Zeit Jazz-Rock „made in Germany“ zum Gütesiegel machten und dabei eine Popularität erlangten, die weit über die schweißtreibenden Jazzkeller hinausreichte. Das 1977 entstandene Album „Live im Schützenhaus“ (Frankfurt), seinerzeit vertrieben über das Label des Verlages Zweitausendeins, galt als verpflichtende Hausmusik der alternativen Wohngemeinschaften jener Zeit.
Nachdem Ende der 90er-Jahre bei ihr die Parkinson-Krankheit diagnostiziert worden war, zog Barbara Thompson sich zunächst von der Bühne zurück und beschränkte sich aufs Komponieren. Mit Paraphernalia kehrte sie jedoch in den 2000er-Jahren auf die Bühne zurück und spielte auch beim Comeback von Colosseum mit. Eines ihrer Stücke und wohl auch ihr Motto hießen nun: „Playing Against The Time“. Als Komponistin hatte sie eng mit Andrew Lloyd Webber zusammengearbeitet, etwa bei den Musicals „Cats“ und „Starlight Express“. Bereits am Freitag ist Barbara Thompson im Alter von 77 Jahren gestorben.