Effektiver als Yoga: Wie man in der Mittagspause ein gelassener Mensch wird

Sie senken den Blutdruck, reduzieren den Stress. Aber es geht bei den Lunchkonzerten in der Berliner Philharmonie nicht nur um den gesundheitlichen Nutzen.

In der Berliner Philharmonie kann man die perfekte Mittagspause machen.
In der Berliner Philharmonie kann man die perfekte Mittagspause machen.imago/imagagebroker

Während ich diese Zeilen schreibe, verspeise ich mein Mittagessen am Schreibtisch. Von dieser Woche an könnte das jeden Mittwoch anders sein. Man hatte sie schon fast vergessen, aber nach zweijähriger coronabedingter Pause finden ab dem 7. September wieder die Lunchkonzerte im Foyer des Großen Saals der Berliner Philharmonie statt. Unterschiedliche Kammermusikformationen bestehend aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker oder Gästen spielen selbst gewählte Programme, die etwa 45 Minuten dauern. Es ist Musik auf höchstem Niveau, die man hier geschenkt bekommt. Der Eintritt ist frei.

An diesem Auftaktmittwoch erklingt Franz Schuberts einziges Klavierquintett, das heitere „Forellenquintett“. Pünktlichkeit ist gefragt, denn nur 1000 Menschen können hinein. Vor der Pandemie waren es noch 500 mehr, eine FFP2-Maske muss man auch tragen. Eine Platzreservierung ist nicht möglich. Man bekommt eine Plastikmarke am Eingang, und wenn die alle sind, sind die 1000 voll. Vor Corona baten die Philharmoniker das Publikum um eine Spende für Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Vielleicht wird es jetzt wieder so sein.

Hungrig muss man beim Lunchkonzert in der Philharmonie auch nicht bleiben

Für Gäste mit einem Schwerbehindertenausweis steht eine begrenzte Anzahl Sitzplätze zur Verfügung. Das Mitbringen von Klappstühlen ist nicht gestattet. Aber warum sollte man sich setzen wollen! Mit geschlossenen Augen auf dem Boden liegend kann man sich doch viel besser der Musik hingeben. Auf den Lunch braucht man auch nicht zu verzichten, vor Konzertbeginn wird ein Catering angeboten.

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So ein Konzert um die Mittagszeit, wenn das Tagwerk erst zur Hälfte erledigt ist, hat eine ganz besondere Wirkung – probieren Sie es aus! Es ist mindestens so erfrischend und entspannend wie Lunch Yoga und wirklich tausendmal besser als das vor dem Bildschirm heruntergeschlungene belegte Brötchen. Zudem ist es wissenschaftlich erwiesen, dass klassische Musik die Herzfrequenz und den Blutdruck senkt, die Atmung beruhigt und Stresshormone reduziert. Mit der Arbeit geht es anschließend auch besser. Aber so ein Lunchkonzert sollte nicht vom Standpunkt des gesundheitlichen Mehrwerts und der kapitalistischen Verwertungslogik aus betrachtet werden. Die Teilnahme hat was Erhebendes. Man verlässt die Philharmonie als besserer Mensch.

Nächste Woche spielen sie Brahms.