Ein Magier am Saxophon – zum Tod von Wayne Shorter
Miles Davis beschrieb ihn als neuen Charlie Parker, und für Herbie Hancock war er der beste aller Komponisten. Nun ist Wayne Shorter mit 89 gestorben.

Wer „Birdland“ von Weather Report einmal gehört hat, dem geht es als Jahrhundertstück nicht mehr aus dem Kopf. Das Bass-Riff von Jaco Pastorius gibt den Takt vor, das Tenorsaxophon von Wayne Shorter die Melodie, und danach zerlegt es der Keyboarder Joe Zawinul gewissermaßen in seine Einzelteile. Die Einfachheit populärer Musik wird hier auf unmittelbar berührende Weise von herausragenden Solisten mit der Komplexität des Jazz verknüpft – intensiv treibend, spielerisch abschweifend und doch erstaunlich geradlinig.
Wayne Shorter, der Österreicher Joe Zawinul und der Percussionist Airto Moreira hatten bereits in der Band von Miles Davis und auf dessen einflussreichem Album „Bitches Brew“ gespielt. Davis hatte Wayne Shorter kurzerhand als neuen Charlie Parker gepriesen, und natürlich war „Birdland“ auch eine Referenz.
Die Popularität des Fusion-Jazz
Zur Gründungsformation der nach der Trennung von Miles Davis ins Leben gerufenen Band Weather Report gehörten der Schlagzeuger Alphonse Mouson und der Bassist Miroslav Vitous, Jaco Pastorius stieß erst später zu Live-Auftritten hinzu, allesamt Solisten, die den Jazz und seine Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt haben. Weit mehr als die letzten Alben von Miles Davis haben Weather Report das, was seit Beginn der 70er-Jahre Fusion genannt und oft auch geschmäht wurde, eine Richtung gegeben, und Wayne Shorter und Joe Zawinul waren dabei zugleich Komponisten, Arrangeure und detailverliebte Frickler an ihren Instrumenten.
Fusion-Jazz bedeutete im Kern auch Kooperation, und so hatte Wayne Shorter keine Berührungsängste gegenüber den Rolling Stones und Carlos Santana, die Nähe zum Rock verhalf den Jazzern in den 70er- und 80er-Jahren zu einer später nie wieder erlangten Popularität.
Wayne Shorter fasste sein Saxophonspiel bevorzugt lyrisch auf, und so kam es Mitte der 70er-Jahre beinahe zwangsläufig zur Zusammenarbeit mit Joni Mitchell, der die Reichweite ihrer Anfänge als Singer-Songwriterin nicht mehr genügte. Zur Erstbegegnung mit Wayne Shorter war es 1976 auf Mitchells Album „Don Juan’s Reckless Daughter“ gekommen, Jaco Pastorius hatte sein Bassspiel bereits zum Mitchell-Album „Hejira“ beigesteuert.
Das Malerische als Charakteristikum
Joni Mitchell und Wayne Shorter betrachteten sich gleichermaßen als Seelenverwandte, deren Arbeitsweise Shorter einmal so beschrieb: „Joni hatte das Gefühl, dass ich mich ihr als Maler anschließen würde. Sie malt gerne, und ich habe Kunst studiert, bevor ich Musik machte. Und sie sagte: Du spielst, als hättest du einen Pinsel. Und dann wählte sie aus verschiedenen Takes aus, um sie wie mit einem Pinsel zu bearbeiten.“
Das Malerische blieb ein Charakteristikum von Wayne Shorters Saxophonspiel, und sein großer Kollege Herbie Hancock schrieb ihm zum Abschied: „Mein bester Freund verließ uns mit Mut im Herzen, Liebe und Mitgefühl für alle und einem strebenden Geist für die ewige Zukunft. Er war bereit für seine Wiedergeburt.“ Der bekennende Nichiren-Buddhist Wayne Shorter ist am Donnerstag im Alter von 89 Jahren in Los Angeles gestorben.