Frei von Schmalz und Geigen: „Die Rache der Fledermaus“ in der Komischen Oper

Mit Ukulele, Singender Säge, den Zucchini Sistaz und Stefan Kurt als Herzbube bietet Berlins Oper der Herzen Johann Strauß im Taschenformat.

Weltbekannt als die Geschwister Pfister: der Rentier Gabriel von Eisenstein (Tobias Bonn) mit Gattin Rosalinde (Christoph Marti) nebst Ensemble in „Die Rache der Fledermaus“ in der Komischen Oper.
Weltbekannt als die Geschwister Pfister: der Rentier Gabriel von Eisenstein (Tobias Bonn) mit Gattin Rosalinde (Christoph Marti) nebst Ensemble in „Die Rache der Fledermaus“ in der Komischen Oper.Michael Bigler

Eine Operette ohne die typischen, klassischen, kitschaffinen Geigen – kann das gut gehen? Oh ja, und wie, das beweist nun in der Komischen Oper „Die Rache der Fledermaus“. Sie wird in einer Fassung nach Johann Strauß gespielt, bearbeitet von Stefan Huber und Kai Tietje.

Der Titel stammt übrigens von Strauß selbst, der sich auf „Die Fledermaus“ erst am Schluss der Komposition festlegte. Wie grandios das Original ist, bestätigt sich auch in dieser neuen Version, interpretiert von nur drei Musikerinnen, den Zucchini Sistaz, sowie von Falk Breitkreuz und Kai Tietje, dem musikalischen Leiter des Abends. Sie umfasst unter anderem Klavier, Akkordeon, Bongos, Ukulele, Gitarren und eine Singende Säge – jedoch eben keine Geigen! Der rauschende Wiener Walzerklang stellt sich bei so einem instrumentalen Taschenformat natürlich nicht ein. Das Gastspiel des Casinotheaters Winterthur vertraut eidgenössisch dem Boden des wohltemperierten musikalischen Basiskapitals – aber das gekonnt und witzig.

Die Geschwister Pfister treten als Ehepaar auf

Die Combo sitzt mit ihrem Equipment auf einem Podest im hinteren Teil der Bühne, während es im vorderen eher kahl aussieht – ein paar sehr unterschiedliche Stühle und Hocker, das war’s (Ausstattung: Heike Seidler). Der Rest ist Luft und Liebe. Und eine Binnenspannung zwischen den Figuren, die sich so euphorisch wie brisant auflädt. Tobias Bonn als Gabriel von Eisenstein und Christoph Marti als Rosalinde, seine Frau, sind in Berlin weltbekannt als Geschwister Pfister. Beide zeigen wieder einmal, wie viel sie sonst noch draufhaben, ob Bonn leichtfüßig den routinierten Ehebrecher gibt oder sich als trotteliger Advokat herrichtet. Marti ist als betrogene Ehefrau, betrügende Gattin und Suffragette der weiblichen Zimtzickigkeit in der Rolle seines Lebens angekommen – überspannt, raffiniert und bis in die Zungenspitze eine abgekochte feminine Behauptung.

Um diese Achse der ehelichen Mogeleien drehen sich Max Gertsch als Notar Falke, der unterkühlte Strippenzieher einer Intrige, von der auch die Dienstboten etwas haben: Nämlich die großartige Vokalartistin Gabriela Ryffel als Stubenmädchen Adele und die gouvernantenhafte, wienerisch grantelnde Nini Stadlmann als ihre Schwester Ida. Dazwischen trällert Alen Hodzovic als Sänger Alfred, der Rosalinde den Hof macht, die vor seinem „hohen B“ stets dahinschmilzt. Währenddessen haut Eisenstein, der wegen einer Bagatelle acht Tage ins Gefängnis muss, noch schnell ohne ihr Wissen beim Prinzen Orlofsky ordentlich auf den Putz – und begegnet dort Adele und Ida und sogar seiner eigenen Frau, die er in ihrer Maskerade als ungarische Gräfin indes nicht erkennt … Und das alles bei einem Fest ohne viel Champagner, der von Stephanie Dietrich als schalkhaft robustem Orlofsky fast komplett gestrichen wurde. Dieser russische Libertin muss sein Glück im Wodka finden.

Butterweich unterschnittene Pointen

Es geht drunter und drüber, mal in der eigenen Identität, mal in einer vom Kostümverleih. Die zupackend verdichtete, charmant vergnügliche und ansteckend amüsante Inszenierung von Stefan Huber teilt vor allem eines mit: Nichts ist, wie es scheint. Es wird ungeniert gelogen und betrogen, doch ebenso verkostet und genossen. Das Leben, die Gefühle, die Moral – ein Spiel, bei dem man manchmal gewinnt, manchmal halt verliert, Hauptsache: in Bewegung bleiben.

Die Musik dazu liefert elegant und beschwingt die Combo, mal à la Strauß, mal karibisch, mal jazzig, mal lässig verswingt. Dabei lässt sich leider nicht überhören, dass die Produktion von einer wesentlich kleineren Bühne übernommen wurde, die höchstens über ein Drittel der Plätze gegenüber dem Haus in der Behrenstraße verfügt. Deshalb muss die Tontechnik mitunter mehr nachhelfen, als für einen zumindest soliden Mischklang gut wäre.

Die Sprechszenen sind davon nicht betroffen, etwa wenn Franz Frickel als Gefängnisdirektor Frank nach durchzechter Nacht in seine Anstalt zurückkehrt und nicht weiß, wo ihm der Kopf steht – zumal ihn der hinreißende Stefan Kurt als betrunkener Gefängniswärter Frosch immer weiter nervt. Wenn die Komische Oper als Berlins Oper der Herzen gilt, so ist Stefan Kurt derzeit ihr Herzbube: als Travestiekünstler Zaza neulich in „La Cage aux Folles“, als Frosch jetzt in „Die Rache der Fledermaus“. Wie ein wetterfester Alleinunterhalter hat er das Publikum von Anfang an im Griff und serviert die Pointen mit butterweichem Unterschnitt. Und so ist diese ganze Aufführung: ohne Geigen, aber voller Liebe, und ohne Schmalz, aber voller Theaterlust.

Die Rache der Fledermaus 11., 12.,17., 19., 20. Februar, 3. März in der Komischen Oper, Tel.: 030 47997400 oder www.komische-oper-berlin.de