Jack Whites aktuelle Welt-Tour zeigt, wie schlecht Rockmusik gealtert ist

Am Wochenende trat der ehemalige Frontmann der White Stripes in Leipzig auf. Bei der Tour des begabten Gitarristen sind Smartphones verboten.

Jack White im Juni beim Glastonbury Festival in Worthy Farm, Somerset, England
Jack White im Juni beim Glastonbury Festival in Worthy Farm, Somerset, EnglandJoel C Ryan/Invision

Leipzig-Jack White ist im Rahmen seiner Welt-Tour „Supply Chain Issues“ (dt. Lieferkettenprobleme) am zweiten Juli in Leipzig aufgetreten. Im Haus am Auensee spielte er mit einer vierköpfigen Band und einer neuen Frisur sowohl alte White-Stripes-Songs als auch Stücke von seinem jüngsten Album „Fear Of Dawn“. In der Konzerthalle im Norden Leipzigs kamen um die 2000 Zuhörerinnen und Zuhörer zusammen, um den weltberühmten Gitarristen zu sehen, der bereits in ein paar Wochen sein nächstes Album („Entering Heaven Alive“) herausbringt.

An Produktivität und Talent mangelt es White offenbar nicht. Letzteres merkte man auch am Samstag, als der 46-Jährige in fast jeden Song ein aufwendiges Solo einbaute und mit seiner Band eine souveräne Rock-Show im Nullerjahre-Stil abriss. Allerdings litten unter dem an diesem Abend mäßigen Sound in der Halle sowohl die neuen Songs als auch die der White Stripes – der gemeinsamen Band von Jack White und seiner Frau Meg. Ihr berühmtester Song „Seven Nation Army“ dröhnt bis heute häufig vor Fußballspielen oder Boxkämpfen zur Einstimmung durch Arenen und Stadien auf der ganzen Welt.

Ein bisschen in der Zeit zurückversetzt hat einen gezwungenermaßen auch, dass Smartphones verboten waren. Am Eingang wurden sie in eine kleine verschließbare Tasche gesteckt, die man mit sich herumtrug. Der skurrile Effekt: Niemand filmte die Show. Und: Man konnte sein Handy überhaupt nicht benutzen. Um festzustellen, wann die Vorband fertig sein und Jack White auftreten würde, musste man erst mal eine Person mit Armbanduhr finden – zum Glück konnten einige der älteren Gäste da weiterhelfen.

Boomer mit Wandersandalen sind Whites größte Fans

Von ihnen hatte es einige zu Jack White gezogen. Insbesondere Boomer mit Tour-Merch-Shirts und Wandersandalen, die einen erst anschnauzten, wenn man zu doll mitwippte, um einen dann bei „Seven Nation Army“ auf dem Weg in die erste Reihe fast umzurennen, und dort herumzuhüpfen, als gäbe es kein Morgen. Die Diskrepanz zwischen der zeitweise extrem begeisterten Crowd und Jack Whites etwas seelenloser Performance war bemerkenswert.

War es noch vor zehn, 20 Jahren Jack White selbst, der mit dem puristischen Sound der White Stripes (nur Gitarre und Schlagzeug, kein Bass) den klassischen „Gitarren-Rock“ am Leben hielt, begeht er bei der aktuellen Tour den Fehler, einen mit möglichst vielen Synthies und übermotiviertem Schlagzeuger überladenen Sound zu spielen. Die mechanisch anmutenden und eher schwachen Songs des neuen Albums, die Perfomance in Leipzig sowie die Crowd dort zeigen vor allem eines: wie schlecht Rockmusik gealtert ist.

Klar, „The Hardest Button To Button“, „Steady As She Goes“ und „Black Math“ haben ihre Power nicht eingebüßt. Es waren diese alten White-Stripes-Nummern, die das Konzert trugen, auf die das ganze Publikum wartete. Jack White aber schafft es durch den fetten Sound der vierköpfigen Band, auch diese Songs ihres minimalistischen Zaubers zu berauben. Sie wirken zu perfekt und die Idee, sie so dicht und sololastig wie möglich aufzupolieren, geht nicht auf. Die innovative und einzigartige Musik verkam am Samstagabend zum Stadionrock.

Das Handy-Verbot beim Konzert wirkt spießig

Auch die verschlossenen Handys wirkten angesichts der distanzierten Performance und des wahrscheinlich ohnehin nicht unbedingt auf Instagram aktiven und dauerfilmenden Publikums irgendwie unnötig. Es hätte vollkommen ausgereicht, die bösen Smartphones wie in Berliner Klubs abzukleben und ein Film- und Fotoverbot auszusprechen. Warum soll man nicht zwischendurch mal eine Nachricht schreiben dürfen? Das Ganze mutete, wie das Konzert insgesamt, etwas spießig an – da halfen auch Jack Whites blaue Haare nicht.

Als die Band zur Zugabe die Bühne stürmte und „Seven Nation Army“ performte, lebte dann tatsächlich doch noch mal für einen Moment die Energie auf, mit der die White Stripes einst Konzerthallen zum Beben brachten. Es ist der einzige der alten Songs, der mit dem dichten Sound dieser Tour noch richtig gut klingt. Die Zuhörer waren zu Recht begeistert von der Energie, die White bei diesem größten Hit auf die Bühne brachte.

Nach der Show, als die üblichen Gespräche über ein tolles Konzert auf dem Weg zurück zur S-Bahn ausblieben, merkte man: Dieses Konzert hat die wenigsten richtig mitgerissen. Den klassischen Gitarrensolo-zentrieten Rock auf diese Weise zurückzuholen, wie Jack White es in Leipzig versuchte, funktioniert nicht. Mit dieser Art der Bandmusik scheint es traurigerweise vorbeizugehen. Vielleicht kann Jack White dafür nichts. Vielleicht ist sie bereits zu Ende erfunden.

Am Montagabend spielt Jack White in Berlin um 20:00 Uhr in der Verti Music Hall.