Neue Platten fürs Wochenende: Caroline Polachek, Deichkind, Pink
Caroline Polachek frickelt an ihrem Wunderkerzen-Hyperpop. Deichkind sind die Hofnarren des Kapitalismus. Und Pink hüpft im Autoscooter mit Zuckerwatte.

Caroline Polachek: „Desire, I Want To Turn Into You“ (Perpetual Novice/The Orchard)
Wie die mythische Meernymphe Calypso gibt sich das lyrische Ich in Caroline Polacheks Song „Welcome To My Island“. Calypso, die den schiffbrüchigen Odysseus auf ihrer Insel willkommen heißt und niemals wieder gehen lassen will. Inspirieren lassen hat sich Caroline Polachek zu den Leitmotiven ihrer dritten Platte zwar nicht auf der maltesischen Original-Calypso-Insel Gozo, sondern auf dem leicht nördlich davon liegenden Sizilien, aber sei’s drum: Caroline Polachek ist mit ihrem Hyperpop (eine wilde Mixtur aus Synth-Pop mit nerdy verspielten Avantgarde-Frickeleien) eine der aufregenderen Musikerinnen der Gegenwart.
Sehr stimmig, dass sie sich die Electro-Noise-Rockerin Grimes und die Pop-Balladeurin Dido als Gästinnen geladen hat – denn zwischen diesen beiden Polen ist auch ihr Sound angesiedelt. Polacheks trockene Vocals klingen mitunter so, als seien sie selbst den Schaltkreisen von Synthesizern entsprungen. Musik fürs posthumane Cyborg-Zeitalter also? Textlich nicht, denn tatsächlich feiert Polachek in den zwölf Tracks der LP das Sichverlieben samt all der zauberschönen Möglichkeiten, die dabei aufblitzen wie Wunderkerzen.
Deichkind: „Neues vom Dauerzustand“ (Sultan Günther/Universal)
Krawall und Remmidemmi liefern uns die Hamburger Ironie-Electro-Punks von Deichkind schon seit einem Vierteljahrhundert. Und nun auf der achten Platte. Im Wohlstand nichts Neues? Doch, „Neues vom Dauerzustand“! Dabei gönnen uns Deichkind so schöne Neologismen wie „gefährliches Halbgoogeln“. Von dort führt der Weg wahrscheinlich schnurstracks zu Sarah Kuttners „Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“.
Auf dem Album wird die Fete verpennt aus Mangel an Guarana in der Blutbahn – oder auch das falsche Frankfurt angesteuert. Keine anderen Probleme? Doch, denn „auch im Bentley wird geweint“ und auch im „Learjet fließen Tränen“, wie sicher auch im Helikopter-Eltern-Helikopter. Klimakrise, Corona und Krieg: All dies kommt auf dieser Platte vor. Deichkind sind die nervenden Hofnarren auf dem Karneval, der sich Kapitalismus nennt.
Pink: „Trustfall“ (RCA/Sony)
Pink, die in Berlin eben mal das Olympiastadion füllt, ist zurück. Und sie hüpft. Auch stilistisch: Der Opener des neuen „Trustfall“-Albums klingt noch nach Taylor-Swift-Americana-Ballade; der Titeltrack „Trustfall“ ist dann Eurodance zum Autoscooterfahren, mit einer Hand am Lenker und der anderen an der Zuckerwatte. Highlight ist das folkige Gitarrenstück mit den beiden Schwedinnen von First Aid Kit.
Insgesamt aber kommt dieses Album klangkonzeptlos daher. Pink, diese große Anwältin des Zu-sich-selbst-Stehens, wirkt auf ihrer neuen Platte leider eher so, als wollte sie für jeden was dabeihaben in ihrer Konsens-Wundertüte. Zu sehr Powerpop-Pleaser. Aus einem Guss ist hier nichts. Pink, das kannst du besser!