Neue Platten fürs Wochenende: Editors, Tamino, Dagobert
Die Editors haben zum Glück ein neues Band-Mitglied. Tamino klingt wie ein arabischer Leonard Cohen. Dagobert spielt Schlager für den Wunderkerzen-Weltuntergang.

Editors: „EBM“ (PIAS)
Selten hat ein neues Mitglied einer Band so gut getan wie hier: Seit diesem Jahr gehört der Drone-Profi Benjamin John Power alias Blanck Mass in Vollzeit zur britischen Inde-Rock-Band namens Editors. Nach dem gitarrenkrachigen „Violence“ von 2018 und dem eher ambitionsarmen Quasi-Best-of „Black Gold“ von 2019 gibt's endlich wieder ein wirkliches großes Editors-Album, das, zumal mit seinen 80s-Synthie-Riffs, an das Meisterstück der Editors, „In This Light and on This Evening“ von 2009 erinnert.
„Kiss“ atmet den Spirit von Bronski Beat und Frankie Goes to Hollywood. Als wären wir im Jahre 1984. Sänger Tom Smith ist eh einer, der die großen Hallen melancholisch hüpfen lassen kann. Eine Freude, dass man mit solcher Mucke die Berliner Max-Schmeling-Halle füllen kann und im Vereinigten Königreich ja sogar ein Abo auf die Top-10 in den Charts hat. Hoffen wir, dass das auch unter König Charles III. so bleibt.
Tamino: „Sahar“ (Communion Records/Virgin Music)
Optisch hat Tamino leicht was von dem Schauspieler Timothée Chalamet, der gerade Schlagzeilen machte als erstes männliches Model auf dem Cover der britischen Vogue. Musikalisch hat der junge Belgier (dessen Opa in Ägypten ein weltberühmter Sänger war) hingegen seine ganz eigenen Gefilde gefunden: Seine Idole sind zwar die westlichen Songwriter Leonard Cohen und Nick Cave, Jeff Buckley und Tom Waits.
Doch Tamino kennt auch Töne, die die altehrwürdigen Herren nicht draufhatten – weil sie in klassisch-westlichen Tonleitern gar nicht existieren. Die Rede ist von Vierteltönen, Mikro-Intervallen: Anders als in der westlichen Musik ist eine arabische Oktave nicht in zwölf Halbtöne, sondern in 24 Vierteltöne unterteilt: doppelt so feine Frequenznuancen. Und damit spielt Tamino (der übrigens von seiner Mama nach dem Prinzen in Mozarts „Zauberflöte“ benannt wurde) leidenschaftlich gerne in seinen wirklich originellen Emo-Schmachtballaden in moll.
Dagobert: „Bonn Park“ (Dagobert/Edel/Recordjet)
Da hat einer Galgenhumor! „Die Hoffnung führt uns ins Verderben / Alle Träume müssen sterben“, singt Dagobert, unser Schweizer Berliner mit seinem schweizerisch-charmanten Zungenschlag. Klar, so was will man in Zeiten des Krieges und der Corona hören. Wunderkerzen-Weltuntergangs-Hymnen. Wobei Dagobert es ja vielleicht sehr viel persönlicher meint: Er wolle eine „Frau, die mich will“ und „keine Sau, die mich nicht will“. Selbst für Schlagerverhältnisse etwas unsensibel. „Lalalalalala, lalalalalala!“
Dabei hatte Dagobert diesmal sogar Text-Nachhilfe beim sehr gehypten jungen Dramatiker Bonn Park. Er heißt wirklich so. Theaterfreund:innen wissen es. Der Albumtitel ist also keine Liebeserklärung an die Ex-Bundeshauptstadt, sondern an den Theater-Typ Bonn Park. Insgesamt hat sich seit dem selbstbetitelten Dagobert-Debüt 2013 sein Konzept, damit ambivalent-schillernd zu spielen, ob er seine Intello-Schlagertexte nun ernst oder doppel-ironisch meine, etwas abgenutzt. Vielleicht sollte man sie mal am Ballermann testen, zur After-Hour.