Neue Platten fürs Wochenende: U2, Unknown Mortal Orchestra, Trettmann
U2 haben ein Album für U2-Hater gemacht. Unknown Mortal Orchestra ziehen uns in die bekifften 70s. Und Trettmann sichert den Status von Karl-Marx-Stadt als Top-Pop-Wiege.

U2: „Songs of Surrender“ (Island/Interscope/Universal)
Was wurden U2 gehasst, als sie uns 2014 in Kooperation mit Apple ihr neues Album auf all unsere iPhones spülten, ohne dass wir es bestellt hätten! Gratis, aber viele wollten es ja gar nicht haben. Und es zu löschen erforderte dann doch einiges technisches Know-how! U2 ist eine Band, die mitunter so sehr gehasst wird, dass man sie allein für all diesen Hass schon herzen muss, falls man noch ein Herz hat.
Was stellen U2 nun auf ihrer neuen Platte an? Gewissermaßen ist es keine neue Platte, denn U2 (im Grunde Sänger Bono und Gitarrist The Edge) nehmen sich sage und schreibe 40 Songs aus dem Back-Katalog der Band vor, um sie akustisch reduziert zu re-interpretieren. In etwa so wie sich auch Taylor Swift schon 2020 auf ihren beiden Alben „Folklore“ und „Evermore“ von ihrem eigenen Stadion- und Überwältigungspop abkehrte, um Herzhütten-Folk zu machen.
Vergleichbar auch mit dem Cover-Album „Unlearned“ von Scott Matthew (2013), auf dem er dem Konzept nachging, die „gelernten“ Songs anderer Artists nun erst mal zu „verlernen“, um sich ihnen dann ganz neu zu nähern. Dass U2 das gar bei den eigenen Liedern („Pride (In the Name of Love)“, wow!) gelingt, echt toll. Alle, die dachten, dass sie U2 hassen, sollten bei „Songs of Surrender“ mal checken, ob sie sich nicht doch verlieben können, klammheimlich. Wer es weniger heimlich handhabt mit seinem U2-Fantum, hat übrigens an diesem Release-Wochenende auf dem Gelände der U2-Plattenfirma Universal die Chance auf einen U2-Goodiebag, am Freitag von 14 bis 18 Uhr sowie am Sonnabend und Sonntag von 11 bis 15 Uhr. Obacht: Allein mit der U2 gelangt man nicht hin.
Unknown Mortal Orchestra: „V“ (Jagjaguwar/Cargo)
Wer Bock hat, sich geradewegs (oder eher noch: psychedelisch umwegs) zurück in die bekifften 1970er zu beamen, dem seien die zwischen Kalifornien und Hawaii cruisenden Neuseeländer vom Unknown Mortal Orchestra ans bekanntermaßen sterbliche Herz gelegt.
Hier geht’s ab als wären Fleetwood Mac und Flaming Lips eh dieselbe Band, garniert mit Sprenkeln der Bee Gees und der Beach Boys. Und all dies mit der Attitüde einer Indie-Band, die gerade in der Garage oder auf der Gartenparty probt.
Trettmann: Insomnia (SoulForce Records/BMG)
Trettmann, Jahrgang 1973, wurde groß im Plattenbau in Karl-Marx-Stadt – aber auch mit afro-amerikanischer Musik aus dem Westradio. Über die FDJ bekam er zudem Spezialklassen in Tanz, Orchester- und Chormusik. Ein Trip nach Jamaika in den Neunzigern machte ihn mit dem Reggae vertraut.
Eine bemerkenswerte Melange in der Sound-Ausbildung. In Kreuzberg hat der inzwischen in Leipzig wohnende Trettmann nun für sein fünftes Album „Insomnia“ ein finales Mal mit dem Berliner Produzententeam KitschKrieg kollaboriert. Zu Gast sind etwa Herbert Grönemeyer, unsere Berliner Chartstürmerin Nina Chuba, It-Sängerin Paula Hartmann (die auf dem Haftbefehl-Album kürzlich den „Geruch von Koks“ beschwor und auch AnnenMayKantereit-Sänger Henning May.
„Insomnia“ führt die Schlaflosigkeit schon im Titel und bewegt sich, bis auf wenige Ausnahmen, weiter weg vom früheren Dancehall-Trettmann hin zum schwermütigen Liederschreibertum à la Schmyt. Und beweist mal wieder, dass Karl-Marx-Stadt (lausche auch Kraftklub, Blond) die Wiege wirklich guter deutscher Popmusik ist. Schade, dass Karl das nicht mehr erleben durfte.