Neue Platten fürs Wochenende: Gorillaz, Skrillex, Miss Grit

Gorillaz verblüffen damit, wie stark ihre Avatar-Mühle immer noch läuft. Skrillex macht Mainstream für Sensible. Und Miss Grit will ein Cyborg sein.

Sind Avatare die besseren Pop-Acts? Cover der neuen Platte „Cracker Island“ der Gorillaz
Sind Avatare die besseren Pop-Acts? Cover der neuen Platte „Cracker Island“ der GorillazWarner Music/dpa

Gorillaz: „Cracker Island“ (Parlophone/Warner)

Erstaunlich, dass das immer noch so gut aufgeht! Denn das Konzept klang ja von Anfang an etwas schräg – oder zumindest so, als hätte es das Potenzial, sich arg schnell abzunutzen: Damon Albarn, einst mit seiner Band Blur (den „Gegnern“ von Oasis) einer der prägenden Protagonisten des 90s-Britpop, gründete also 1998 die Gorillaz, eine Band, bestehend aus Comic-Avataren, die sich immer wieder neue Gäste einlädt. Wer halt gerade so cool ist – oder (wieder) werden könnte.

Auf der neuen, nunmehr achten Platte „Cracker Island“ sind das unter anderem: der kalifornisch entspannte Softporn-Funk-Bassist Thundercat (der die LP eröffnet), aber auch die legendäre Fleetwood-Mac-Frontfrau Stevie Nicks, eine der besten Stimmen der Rockgeschichte. Nicht zu schweigen von Tame Impala, den großen Luxus-Psych-Pop-Schleifendrehern; und zum Finale dann Beck in einer cinemascopischen Ballade. Insgesamt eine tolle, Genregrenzen sprengende Partyplatte für Melancholiker und solche, die es werden wollen – im Spirit von Arcade Fires „Everything Now“.


Skrillex: „Quest For Fire“ + „Don’t Get Too Close“ (Atlantic/Warner)

Was für eine Taktung! Seit 2015 keine Langspielplatte – und nun gleich zwei auf einen Streich, im Abstand von nur zwei Tagen: Das vor Energie platzende, bassgetriebene „Quest For Fire“ und der Emorap-Counterpart „Don’t Get Too Close“.  Skrillex, der Dubstep zwar nicht erfand, aber doch weltbekannt machte (und zudem Brostep, den etwas krawalligeren, kommerzielleren Bruder) will ganz offensichtlich ein neues Kapitel in seiner Diskografie aufschlagen. Skrillex 2.0.

Worin er sich treu bleibt: Er kann sowohl mit Megastars (wie Missy Elliot und Justin Bieber) auf Augenhöhe kollaborieren wie auch mit Leuten, die in Szenekreisen prächtig punkten: etwa dem Bass-Bildhauer Joker aus Bristol oder dem experimentellen Percussionisten Elli Keszler. Im starken Titeltrack „Don’t Get Too Close“ kommt Skrillex übrigens mit der gebürtigen Berlinerin Bibi Bourelly zusammen, die ja auch schon für Rihanna und Selena Gomez schrieb. Beziehungsweise sie kommen nicht zusammen, denn es ist ein Song im Igelmodus: Stacheln aufstellen und lieber (emotionalen) Sicherheitsabstand aufbauen. Sicher ein Gefühl, das vielen auch in der Post-Covid-Ära vertraut bleiben wird. Skrillex ist Mainstream für Sensible.


Miss Grit: „Follow The Cyborg“ (Mute/Pias)

Ein Debüt, das aufhorchen lässt: Die in New York lebende koreanisch-amerikanische Musikerin Margaret Sohn alias Miss Grit hat eine Konzeptplatte über Cyborgs gemacht – also über sich als Mensch-Maschine – oder soll man sagen: als Maschinen-Mensch? Hintergrund ist aber nicht bloß, dass viele von uns sich immer enger mit Maschinen verkabeln oder gleich kabellos verbinden, was unsere Art zu denken und zu fühlen ändert – nein, Miss Grit geht es insbesondere darum, sich als Cyborg neu zu erfinden, jenseits fremdbestimmter Definitionen.

Das hat ziemlich sicher mit ihren koreanischen „Wurzeln“, aber auch mit ihrer nicht-binären Identität zu tun. Klanglich jedenfalls haben wir es mit einem treibenden, melodischen Indie-Rock zu tun, der ganz und gar in Elektronik vernarrt ist – und auch Raum für sanfte Synthesizer-Träumereien zulässt. Vermutlich der Traum eines Cyborg. Eine eingängige Platte wie gemacht zum Sinnieren darüber, wie viel digital detox man für sich so will oder auch nicht.