Hier müssen Sie am Wochenende hin: Die Kulturtipps der Redaktion
Fred Sandback ist im Hamburger Bahnhof zu besichtigen, aus Sinn und Form wird am Wannsee gelesen und Frauke Finsterwalder kann man zum Gespräch treffen.

Der Romaday 2023 beschäftigt sich mit Umweltrassismus

Der internationale Tag der Roma naht, und aus diesem Anlass findet im Grünen Salon der Volksbühne ein Programm mit Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen und Performances statt, das sich mit dem Phänomen Umweltrassismus auseinandersetzt: „Romaday 2023: No Climate for Nomads“. Vom 31. März bis zum 8. April geht es auch, aber nicht nur, aus künstlerischer Perspektive um die Auseinandersetzung mit den rassistischen Auswirkungen der ungleichen Verteilung von Umweltgütern und -risiken, die Menschen dazu bringen, ihr Land zu verlassen, sowie möglichen Auswegen – Wegen hin zu mehr Gerechtigkeit. Der Verein Roma Triale hat Künstlerinnen und Künstler sowie Aktivistinnen und Aktivisten aus der ganzen Welt nach Berlin eingeladen. Am 8. April findet das Programm seinen Höhepunkt mit der traditionellen Romaday Parade vom Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma ausgehend durch die Mitte Berlins. Susanne Lenz
Romaday 2023: No Climate for Nomads Das gesamte Programm finden Sie unter romaday.info, Tickets gibt es über die Volksbühne.
Weltklasse-Minimalist Fred Sandback im Hamburger Bahnhof

Die gesamte Schau „Simple Facts“ („Einfache Fakten“) besteht einzig aus Schnüren und dünnen Stahlseilen. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist Minimalismus von Weltklasse. Im Hamburger Bahnhof hat das neue Direktoren-Duo Till Fellrath und Sam Bardaouil die Werke des New Yorkers Fred Sandback (1943–2003) im oberen Westflügel installiert. Ein stiller Künstler, der nie Aufsehen um seine Person erregte, sich simpler Materialien bediente, Schnüre und Fäden, schwarz, rot, gelb, blau.
Ausgangspunkt war immer der Raum, er durchwanderte ihn, lernte ihn kennen, nahm den Dialog auf mit den Maßen der Wände. Decken, Böden. Dabei ging es nie um das Vermessen, sondern vielmehr um das Erfahren. Nach exakten Vorgaben sind die Fäden gespannt. Die optische Täuschung ist perfekt. Manchmal ist es, als befänden sich in den akkurat abgesteckten „Feldern“ Glasscheiben wie in großen Fenstern. Man hält instinktiv inne, will bloß nicht dagegen stoßen. Dabei kann ich den Finger durchstecken. Und da ist nur Luft. Obwohl seine Werke seit 1968 international gezeigt wurden, ist dies die erste museale Sandback-Soloschau in Berlin. Allein die Galerie Thomas Schulte an der Leipziger Straße erinnerte letztes Jahr an diesen besonderen Künstler.
Und so erleben wir in größerer Dimension, wie dieser nachhaltig materialsparende Magier luftleichte geometrische Gebilde durch das Spannen einzelner Garnstränge zwischen zwei Punkten erfand. Damit entwickelte er in den späten 70er-Jahren, als in den USA die üppige Pop Art ihre Hochblüte hatte, eine extrem karge und doch essenzielle Form des „Zeichnens im Raum“. Lediglich mit elastischen Schnüren, Acrylgarn und dünnen Stahlstäben skizzierte er Flächen und Volumen. Auch die Leere bezog er mit ein – und das Werk war somit völlig entgrenzt. Der Hamburger Bahnhof feiert mit der Schau eine Schenkung des Fred Sandback Archivs – 64 Variationen einer dreiteiligen „Skulptur“ von 1975, zu sehen neben neun weiteren Installationen des Minimalisten aus über 30 Jahren.
Sandback provoziert und streichelt die Sinne. Seine Fäden-Skulpturen umfassen Raum, rhythmisieren und gliedern ihn. Solche Kunst experimentiert mit der Wahrnehmung. Man überlegt: Unterscheidet sich der Raum innerhalb der geometrischen Formen von dem Raum außerhalb? Was befindet sich innerhalb der Linien und was außerhalb? Sogar Leere wird fassbar. Sandback wollte, dass der Geist sich nicht mehr an Dingen festhalten sollte. Und so wurde er zum Meister des Paradoxen. Ingeborg Ruthe
Fred Sandback. Simple Facts. Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, Invalidenstr. 50/51, bis 17. September, Di, Mi, Fr 10-18/ Do bis 20/ Sa+So 11-18 Uhr
Ein paar Wahrheiten über den Weltuntergang
Im Theater unterm Dach kann man sie sich um die Ohren hauen lassen, die Wahrheiten, die wir, um das Leben genießen zu können, ausblenden müssen: Jeder gekochte Kaffee, jeder Atemzug, jedes in die Welt gesetzte Kind vergrößert den CO2-Fußabdruck und trägt zur Erwärmung der Welt, mithin zu ihrem Untergang bei. Und da war noch nicht die Rede vom Aussterben der Arten oder von den sozialen Verwerfungen, die ebenso menschengemacht sind und zu seiner eigenen Vernichtung beitragen. „Der unendliche Spaß am Leben macht keinen mehr“, heißt es in der Ankündigung.

Der Abend verspricht eine vielperspektivische Sicht auf die Dinge, werden doch unter anderem auch Donna Haraway, Vanessa Nakate und Eva von Redecker und der Yogi Sadhguru zitiert. Und glücklicherweise findet sich in der Stückbeschreibung auch irgendwo das Wort Humor. Die Berliner Zeitung ist sich sicher, dass der zur Rettung der Welt seinen Beitrag leistet, denn ohne ihn spräche nichts gegen ihren Untergang. Ulrich Seidler
Wahrheiten von Wunschmaschinen 1. April: 20 Uhr, 2. April: 18 Uhr im Theater unterm Dach, Danziger Str. 101, Karten unter Tel.: 902 95 38 20 oder theateruntermdach-berlin.de
Sinn und Form: Hören, was nicht gelesen werden darf
Die Zeitschrift Sinn und Form darf derzeit nach einem Gerichtsentscheid nicht verkauft werden. Für die Mitarbeiter der Reaktion, für die Autorinnen und Autoren der aktuellen Ausgaben und auch für Beiträger früherer Jahre ist das bitter. Hatte sich doch Sinn und Form in der DDR gegen alle Angriffe behaupten können, wurde die Zeitschrift doch in der turbulenten, von Streit begleiteten Zeit des Zusammenschlusses der Akademien der Künste zu Berlin Ost und West ins gemeinsame Haus gerettet. Und für die Leser ist das natürlich auch schrecklich.

Am Sonntagabend gibt es ein bisschen Ersatz. Im Literarischen Colloquium Berlin wird gelesen, was gedruckt nicht weitergegeben werden darf. Friedrich Dieckmann, Hans Joas, Avrina Jos, Kornelia Koepsell, Wolfgang Matz, Emanuel Maeß, Katharina Winkler und Gisela von Wysocki werden, moderiert vom Dichter Lutz Seiler und dem Sinn-und-Form Chefredakteur Matthias Weichelt, vortragen und über die Zeitschrift reden. Seiler, bekannt durch und geehrt für seine Gedichte und die Romane „Kruso“ und „Stern 111“, leitet übrigens das Peter-Huchel-Haus, das dem Andenken des ersten und langjährigen Chefredakteurs von Sinn und Form gewidmet ist. Cornelia Geißler
Sinn und Form. Lesung aus den ungedruckten Heften. Sonntag, 2.4., 19.30 Uhr, LCB, Am Sandwerder 5
„Sisi & Ich“ + Gespräch mit der Regisseurin Frauke Finsterwalder
In Sachen Sisi wurde den Zuschauern in den vergangenen zwei Jahren einiges zugemutet. Sowohl Netflix als auch RTL brachten (sexy) Serien über die (sexy) Kaiserin heraus, im vergangenen Jahr glänzte Vicky Krieps (subtil sexy) in der Rolle unter der Regie von Marie Kreutzer in „Corsage“. In eine solche wird auch Susanne Wolff in „Sisi & Ich“ irgendwann gezwängt, das enge Kleidungsstück bleibt eben das naheliegendste Symbol für die Situation der Kaiserin und Frauen der Zeit im Allgemeinen. Frauke Finsterwalder hingegen hat sich viele kreative Freiheiten erlaubt und legt nun eine punkige Interpretation der Geschichte vor, mit einer wie immer großartigen Sandra Hüller als Gouvernante, die sich irgendwann auf Korfu in ihre griesgrämige Chefin verliebt. Nach der Vorführung im Delphi Filmpalast werden Frauke Finsterwalder und die Produzenten Philipp Worm und Tobias Walker Fragen beantworten. Claudia Reinhard
„Sisi & Ich“ in Anwesenheit von Frauke Finsterwalder, Freitag, 31. März, 20 Uhr, Delphi Filmpalast
Konzert: Badmómzjay im Velodrom
Eine Brandenburgerin auf dem Cover des Modemagazins Vogue? Das kommt nicht alle Tage vor. In jedem Fall kam Badmómzjay aus Brandenburg an der Havel als erste Rap-Künstlerin auf das Cover der deutschen Vogue. Am April 2022 war das. Und seitdem ging es weiter steil bergauf für Badmómzjay. Unlängst wurde sie bei den MTV Europe Music Awards zum besten deutschen Act gekürt.
Was macht Badmómzjay so besonders? Einerseits ist sie ein neuer Typus Deutsch-Rap-Star, sie geht sehr frei und selbstbewusst mit ihrer Bisexualität in ihren Texten um. Andererseits bekommt sie eben doch die Features mit anderen Großen im HipHop-Game, etwa Kalim, Bausa und Takt32. Für 2023 hat Badmómzjay ihr zweites Langspiel-Album angekündigt. Ob wir davon wohl schon einige Tracks vorab im Velodrom-Ufo hören? Stefan Hochgesand
Badmómzjay, Sonntag, 2. April, 20 Uhr, UFO im Velodrom, Paul-Heyse-Straße 26