Das Ballermann-Projekt geht weiter: In großer Not mit zehn nackten Friseusen

Simon Mack hat es sich zur Aufgabe gemacht, hirnlose Saufhymnen und sexistische Bumslieder neu zu vertonen und ihren innewohnenden Schmerz zu fassen.

Sopranistin Ramona Laxy und der Komponist Simon Mack interpretieren Mickie Krauses „Zehn nackte Friseusen“.
Sopranistin Ramona Laxy und der Komponist Simon Mack interpretieren Mickie Krauses „Zehn nackte Friseusen“.Screenshot

Hier kann heute die Fortsetzung von Simon Macks Ballermann-Projekt vermeldet werden. Nachdem der Komponist und Arrangeur Ingo Flamingos Hymne „Saufen“ im Stile einer Bach-Kantate vertont und damit den Alkoholmissbrauch in den Griff zu bekommen versucht hat („Saufen, morgens, mittags, abends, ich will saufen ... Der Hahn muss laufen ... Hauptsache Alkohol!“ etc.), kann man seit ein paar Tagen nun den sexistischen Partykracher „Zehn nackte Friseusen“ von Mickie Krause als Kunstlied in der Manier von Arnold Schönberg genießen.

Genießen ist vielleicht doch das falsche Wort. Denn um diese tonkünstlerischen Reflexionen auf das primitive, als kulturelle Hervorbringung kaum perzipierbare Material der Triebentlastung überhaupt erst würdigen zu können, sind nicht nur geschmackliche Schmerzbereitschaft, ein robuster Magen und ein resilienter Geist erforderlich, sondern auch ein paar Grundkenntnisse über die Wiener Schule und die Zwölftonmusik. Und um die Steighöhe erfassen zu können, ist es leider auch nötig, sich das Original reinzuziehen und sich den Text auf der Zunge zergehen zu lassen.

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„Ich will zehn nackte Friseusen, / zehn nackte Friseusen, ohoh, / zehn nackte Friseusen, / Mit richtig feuchten Haaren ...“, heißt es bei Mickie Krause. Er zählt im Weiteren unter Auslassung der passenden Reimwörter auf, was er von welcher Art von Frauen – „Damen“, „Weibern“, „Schnitten“ oder „Hasen“ – alles nicht will. Und kommt immer wieder auf die zehn Friseusen zurück, die sich hier kontraintuitiv selbst die Haare gewaschen haben sollen.

Der im kantablen Grundton-Dominante-Original um die leidensgenössische Solidarität von Uffda-Zweitakt-Mitstampfern bettelnde Schmerz entbricht sich im Liedvortrag der Sopranistin Ramona Laxy, am Klavier begleitet durch den Komponisten selbst, in aller Einsamkeit und Härte. Die allein durch die neue Tonlage ausgedrückte männliche Impotenz wird ebenso enttabuisiert wie die doch eher seltene sexuelle Zwangsstörung, die aus der Unerfüllbarkeit und Überforderung einer leicht zu entschlüsselnden Gruppensexfantasie mit nicht mehr und nicht weniger als zehn Haarschneiderinnen ihre nervenzersetzende Dynamik zieht. Die offenkundige sexuelle Dysfunktion, die im Original durch die Protzerei, der sie entspringt, gebannt werden soll, erhält durch die kunsthafte Disharmonie ihre zarte Erlösung, denn eins ist klar: Hier ist Linderung nur durch Kastration möglich.

Leute, die ein ähnliches Leiden wie Mickie Krause ausgeprägt haben, können auf der Internetseite des Komponisten die Noten käuflich erwerben. Möge es helfen.