Wer hat die verlorenen Aufnahmen der Ost-Berliner Punkband Die Firma?

Ein Koffer mit Tonbandkassetten aus dem Nachlass von Trötsch wurde in der Straßenbahn vergessen. Ein unermesslicher Verlust für die Ost-Punk-Historie.

Das ist der vermisste Koffer mit den Kassetten aus dem Nachlass von Trötsch.
Das ist der vermisste Koffer mit den Kassetten aus dem Nachlass von Trötsch.Privat

Berlin sucht einen Koffer mit Tonbandkassetten. Über Facebook hat die Modedesignerin und Journalistin Jane Garber am Dienstag einen Aufruf gestartet. Sie war einst mit dem 2015 gestorbenen Frank Tröger, genannt Trötsch, dem Sänger der Punkband Die Firma, zusammen. Offenbar hat sie auch einen Koffer mit Kassetten geerbt und wollte sich in diesem Sommer um die Hinterlassenschaften ihres Ex kümmern und die Tonträger digitalisieren lassen. Wer hätte keine analogen Datenträger in irgendwelchen Kisten, die man eigentlich mal durchhören und -gucken und auf eine Silberscheibe ziehen müsste? Nur dass es hier nicht um Familienangelegenheiten geht, sondern um wichtige Dokumente der DDR-Punkgeschichte! Eine gewisse Verpeiltheit ist also durchaus erwartbar, zeitigt aber schmerzliche Folgen.

Der gemeinsame Sohn gab den Alukoffer mit Dutzenden Kassetten (nicht von ORWO) einem Freund, der sich darum kümmern wollte. Jane Garber: „Dieser (Kommentar spare ich mir) hat den Koffer in der Straßenbahn in Berlin stehenlassen. Passiert ist das Unfassbare schon am 17. Juli in der Linie M1, Station Hermann-Hesse-Straße/Waldstrasse. Leider hat dieser Mensch es sich bis vor einigen Tagen nicht getraut, meinem Sohn mitzuteilen.“

Die Firma und maßgeblich ihr Gründer, Keyboarder und Sänger Trötsch sind ein wichtiger Knotenpunkt der Szene gewesen. Benannt nach dem Spitznamen für die Staatssicherheit und wegen ihrer mindestens systemkritischen Texte immer wieder mit Auftrittsverboten belegt, wurde nach der Wende bekannt, dass sowohl Trötsch als auch die nicht weniger bandprägende Bassistin und Sängerin Tatjana Besson selbst als IM tätig waren. Schillernder und authentischer können Utopie, Widerstand und Verrat nicht ineinandergreifen.

Dass jetzt wichtige musikalische Zeugnisse, die im Schatten dieser Geschichte stehen, verloren gegangen sein sollen, klingt fast wie ein Fluch. Jane Garber und der Nachwelt bleibt nichts als die Hoffnung: „Vielleicht gibt es ja ein ostdeutsches Punkweihnachtswunder und ein Musikfreund hat diese Aufnahmen gerettet.“ Hinweise leitet die Redaktion gern weiter.