Dieter Bohlen im Exklusiv-Interview: Warum „Cheri Cheri Lady“ einfach unkaputtbar ist
Der deutsche „King of Pop“ Dieter Bohlen könnte einfach in Rente gehen. Doch seine Fans wollen mehr, mehr und mehr. Jetzt geht er auf Tour. Er sagt, es könnte die letzte sein.

Herr Bohlen, wird das nun wirklich Ihre letzte Tour, wie angekündigt? Oder kommen Sie, wie bei DSDS, nach einem Jahr Pause wieder zurück?
Die meisten Leute sagen so was ja als Promotion für ihre Tour, damit alle kommen: dass danach Schluss sei. Bei mir war es aber wirklich so, dass meine Familie sogar schon gegen diese Tour war, die ich nun spiele.
Wieso das denn?
Die möchten natürlich gerne, dass ich die Kinder auch mal von der Schule abhole. Mit denen ihre Freizeit gestalte. Und einfach, dass der Papa mal da ist, nicht immer in der Weltgeschichte rumfährt. Man fährt ja nicht einfach mal schnell zum Konzert hin und zurück. Es ist wochenlange Arbeit mit der Band, dass man die Titel alle draufkriegt. Dass jeder seine Einsätze kennt. Dass die Arrangements stimmen. Dann diese ganze Arbeit mit Licht, Videos und blablabla. Da hängt eine ganze Menge Zeug dran. Da sag ich mal: Ich kann mein Geld auch einfacher verdienen. Ich weiß nicht, was passieren müsste, damit ich in fünf Jahren doch noch mal auf Tour gehen würde.

Geld müssen Sie ja keines mehr verdienen. Ihre Tantiemen fließen sicher, schon allein durch Modern Talking.
Ja, das haben die Leute 1985 schon gesagt.
Warum kommen Sie dann überhaupt zurück auf die Bühne?
Ich fühle eine innere Verpflichtung gegenüber meinen Fans. Auf Insta oder TikTok wollen Leute von mir wissen: „Antwortest du wirklich auf unsere Fragen?“ Ja, ich tue das wirklich. Das macht keine Agentur oder irgendwas. Ich mach das alles allein. Und die Leute wollen, dass ich liefere. Das mach ich nun auch mit der Tour. Ich will einfach einen schicken Abend mit denen haben. Die können mal gucken, wie ich gerade aussehe. Und ob ich wirklich so gut aussehe wie auf den Fotos. (lacht) So können sie mich mal live sehen, auch Fragen stellen. Ich kommuniziere sehr viel mit dem Publikum. Die wollen zwar auch manchmal meine Musik hören. Die wollen aber auch Geschichten von mir hören. Was da so passiert ist bei den Titeln.
„Vor 40 Jahren hat man über meine Musik gesagt, das ist Wegwerf-Musik“
Klingt entspannt.
Wenn ich auf Spotify gehe, freue ich mich, dass mir mehr Leute zuhören als, sagen wir mal, Capital Bra: Ich habe viereinhalb Millionen Zuhörer mit Modern Talking. Dann noch mal viele mit Dieter Bohlen und mit Blue System. Wenn du weißt, fünfeinhalb Millionen Leute hören deine Musik; wenn du Anfragen aus der ganzen Welt kriegst; wenn man fast jede Woche eine Cover-Anfrage für einen Song kriegt – das ist schon gigantisch!
Überrascht Sie das denn?
Vor 40 Jahren hat man über meine Musik gesagt, das ist Wegwerf-Musik. Und: „In einem halben Jahr will ‚Cheri Cheri Lady‘ niemand mehr hören.“ Und jetzt, 40 Jahre später, hören das mehr als damals. Das ist schon der Wahnsinn! Es gibt auch immer so Wellen: In China zum Beispiel läuft das jetzt wahnsinnig. Diese ganzen TikTok-Leute tanzen zu „Brother Louie“. In Spanien gibt es gerade so ein Movement, dass Leute Bewegungen auf „Brother Louie“ machen. Das ist schon komisch! Dann rufen alle aus Spanien an und wollen, dass man da Konzerte macht. Oft habe ich keine Zeit – und dann schick ich da eben meinen Ersatzmann Thomas (Anders, Anm. d. Red.) hin.
„Bei der Tanzkapelle lernt man genau, was die Leute wollen“
Kommen beim Berlin-Konzert dann auch Leute aus DSDS? Denen haben Sie ja auch so einige Nummer-eins-Hits geschrieben.
In Berlin ist Pietro Lombardi dabei. Dann definitiv der Gewinner von DSDS. Und wenn mich Capital Bra an dem Abend anruft und sagt, er kommt vorbei, macht „Cheri Cheri Lady“ – dann ist er gerne eingeladen.
Sie spielen in der Max-Schmeling-Halle, benannt nach dem Boxer. Sehen Sie sich als einen, der sich durchboxen musste im Leben?
Immer! Ich kam aus Oldenburg und kannte keinen Menschen, der im Entertainment-Business war. Habe dann erst mal BWL studiert in Göttingen. Da kannte ich auch niemanden. Ich habe da meine Musik gemacht und alle haben mich mehr oder weniger ausgelacht. Aber ich hatte eine schöne Studienzeit: Am Wochenende habe ich in der Tanzkapelle gespielt. Dadurch konnte ich mein Studium finanzieren. Außerdem lernt man bei der Tanzkapelle genau, was die Leute so hören wollen – und wie die manchmal auf die schwachsinnigsten Nummern abfahren. Damals so „Lied der Schlümpfe“ und so was. Hat mich natürlich gegraut, solche Nummern zu spielen! Aber man lernt fürs Leben manchmal.
Sprachpolizei? „Nö!“
Hat RTL Ihnen für Ihre Rückkehr zu DSDS Sprachregeln auferlegt? Was Sie nicht mehr sagen dürfen? Sie wirken etwas zahmer als früher im Fernsehen.
Ich würde mich niemals verbiegen lassen; dass mir irgendjemand sagt, was ich zu sagen habe. Das war immer Konsens, dass der Sender gesagt hat: „Du kannst sagen, was du willst.“
Es gibt also keine Sprachpolizei.
Nö, nö. Dann hätte ich auf keinen Fall unterschrieben.
In einer aktuellen Folge haben Sie einen der Kandidaten auch sehr aufgebaut mit Atemübungen: „Selbstvertrauen rein. Selbstzweifel raus.“ Da klangen Sie schon fast wie ein achtsamer Yoga-Lehrer.
Wow, Sie haben DSDS geguckt, wow. (freut sich) RTL, er hat DSDS geguckt! Sehr gut.
„Wenn die Leistung schlecht ist, dann geht mir die Galle hoch“
Worauf ich hinauswollte: Wie entscheiden Sie das, wen Sie aufbauen und wen Sie runterbuttern wollen?
Na, das ist rein emotional. Für mich ist ein Rauswerfer, wenn jemand sich nicht vorbereitet hat. Wenn dann die Leistung auch noch schlecht ist, dann geht mir die Galle hoch. Ich hab mich 20 Jahre darauf vorbereitet, einen Hit zu haben. Ich habe Gitarre gelernt, ich habe Klavier gelernt, ich habe Bassspielen gelernt. Früher war es ja so: Wenn du ein Demo aufgenommen hast, dann musstest du die Instrumente selber spielen. Wer sollte die dir spielen?
Man hatte kein Geld dafür. Heute setzt du dich an den Computer und haust dreimal drauf, und schon kommt alles raus. Das war aber eine ganz andere Zeit! Und wenn die Leute in die Sendung kommen, nur mit dicken Sprüchen: „Ich bin so toll, ich werd’ die nächste Beyoncé! Ich hab mich zwar nicht vorbereitet, aber du wirst schon sehen! Wenn du mich jetzt rauswirfst, hast du den nächsten Superstar verloren!“ Dieses ganze Gelaber! Und dann steht da jemand und trifft keinen Ton. Zu denen bin ich dann auch nicht so nett, das stimmt.
Sie sagen dann so Dinge wie: „Der Song ist scheiße. Die Stimme ist scheiße. Der sieht schon mal scheiße aus.“
Auf Optik geh ich eigentlich nicht. Ich sag vielleicht: „Du siehst doch nicht aus wie ein Star!“ Ich sag vielleicht auch mal, dass jemand mehr Sport machen könnte. Weil man einfach auch fit sein sollte, wenn man in dieses Geschäft geht. Das muss natürlich jeder selber wissen. Viele kommen aber auch und wollen nur ein bisschen Fame haben für ihren Instagram-Account.
Konzert: Dieter Bohlen, Max-Schmeling-Halle, 16. April 2023, 19.30 Uhr, VVK 77 Euro.