UFA-Chef Nico Hofmann über den Oscar-Erfolg von „Im Westen nichts Neues“
Der Filmproduzent im Gespräch über die Bedeutung des Oscars für die deutsche Filmbranche, die PR-Ausgaben von Netflix und Kritik in deutschen Medien.

Beste Kamera, beste Filmmusik, bestes Szenenbild und bester internationaler Film: Der Vierfacherfolg bei den Oscars von „Im Westen nichts Neues“ ist ein Meilenstein der deutschen Filmgeschichte.
Der Film- und Fernsehproduzent Nico Hofmann kennt die internationale Filmindustrie sehr gut. Für die Filmproduktion „Unsere Mütter, unsere Väter“ und für die Serie „Deutschland 83“ erhielt er 2014 und 2016 den internationalen Emmy Award. Seit September 2017 führt Hofmann die UFA-Geschäfte als alleiniger CEO und verantwortete große Bestseller-Verfilmungen wie „Der Medicus“, „Der Junge muss an die frische Luft“ oder „Ich war noch niemals in New York.“
Wir erreichten den Filmemacher telefonisch auf dem Weg von Köln nach Berlin.
Herr Hofmann, was macht „Im Westen nichts Neues“ so besonders im Gegensatz zu anderen deutschen Produktionen wie etwa „Das Leben der Anderen“?
Der Film ist zur richtigen Zeit erschienen, er trifft den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Zeitgeist. „Im Westen nichts Neues“ bietet eine hervorragende Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg. Auf der Folie des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, mit all seiner Gewalt und dem Leid, das er auslöst, bewegt dieser Film die Menschen. Im Zusammenhang dieser Einordnung entsteht eine Kraft, die „Im Westen nichts Neues“ in einem besonderen Scheinwerferlicht leuchten lässt.
Wie stark wiegt die Tatsache, dass Netflix, ein US-Unternehmen, den Film produziert hat?
Netflix hat den Mut und das Budget aufgebracht, diesen Film zu ermöglichen. Das Wichtigste ist für mich, dass das kreative Paket aus Deutschland kommt. Darauf kommt es bei den Auszeichnungen an und eben nicht, wer der Geldgeber ist.
In den deutschen Medien hört man nach dem Vierfachgewinn vereinzelt auch Kritik für die Vergabe der Oscars, zum Beispiel in Bezug auf die historische Genauigkeit. Ist dies wieder typisch deutsch oder berechtigte Kritik?
Jeder Film provoziert unterschiedliche Stimmungen im Meinungsbild. „Im Westen nichts Neues“ ist ein großartiger Erfolg und ein Meilenstein für den deutschen Film. Ich habe selbst viele historische Filme produziert, unter anderem „Charité“ oder „Unsere Mütter, unsere Väter“. Auch wenn man versucht, historisch noch so genau zu arbeiten, bleibt immer auch künstlerische Freiheit. Wer bemängelt, dass „Im Westen nichts Neues“ historisch ungenau ist, dem kann ich nur sagen – es ist ein fiktionaler Film und keine historische Dokumentation. Die vier Oscars, unter anderem als bester internationaler Film, sind ein Ritterschlag und eine bedeutende Auszeichnung.

Es gibt den Vorwurf, dass Netflix für die Promotion im Vorfeld der Oscars viel Geld in die Hand genommen hat. Lässt sich die Oscar-Academy von Film-Promos anlässlich einer Nominierung beeinflussen?
Man muss dankbar sein, dass ein Streamingportal oder ein Verleih Geld für Marketing in die Hand nimmt. Es ist absolut üblich, dass man bei jeder großen Produktion Pressearbeit macht. Der Film ist weltweit für ein breites Publikum produziert, und ich finde die Vermarktung außerordentlich gut. Dass sich die Jury davon beeinflussen lässt, glaube ich nicht. Auf die Sichtbarkeit der Produktion hat Marketing selbstverständlich Einfluss.
Was bedeutet der „deutsche“ Oscar-Gewinn für den Filmstandort Deutschland, insbesondere für Berlin?
Er bedeutet viel. Es gibt mittlerweile im Streaming-Bereich großartige deutsche Produktionen, auch viele Produktionen aus Österreich. Der Oscar-Gewinn mit „Im Westen nichts Neues“ ist eine Erfolgsgeschichte. Es zeigt, dass wir in Deutschland in der Lage sind, große Filme zu produzieren, es zeigt Hollywood und der Welt, wie stark der Standort Deutschland im Kreativbereich funktionieren kann.
Ist das Engagement von Netflix auf dem deutschen Filmmarkt für deutsche Produktionsfirmen wie UFA eine Gefahr oder ein Gewinn?
Definitiv ein Gewinn. Wir produzieren mittlerweile viel für den Streaming-Bereich. Sei es für RTL+, Amazon, Disney oder Netflix, oder für das Öffentlich-Rechtliche und seine Mediatheken. Es bilden sich mittlerweile auch viele Partnerschaften zwischen US-Filmindustrie, Europa und der deutschen Film- und Kreativwirtschaft.
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