„Nach vielen Jahren offener Ehe habe ich mich in meine Affäre verliebt. Was tun?“

Sie fragen, unsere Frau für die Liebe antwortet. Diesmal empfiehlt unsere Paartherapeutin Kerstin Mantey ein besonderes Zettelsystem.

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Clemens, 58: Ich bin seit 30 Jahren mit meiner Frau verheiratet und wir lieben uns bis heute. Nur sexuell lief es bei uns irgendwann nicht mehr, deshalb haben wir vor vielen Jahren die Ehe geöffnet und hatten beide seitdem kürzere Affären, von denen wir gegenseitig wussten. Nun habe ich mich allerdings zum ersten Mal verliebt – und der Frau geht es genauso. Sie möchte nun mit mir zusammen sein, monogam, und ehrlich gesagt fühle ich genauso. Andererseits fühle ich mich meiner Ehefrau auf einer ganz anderen Ebene verbunden und kann mir nicht vorstellen, nicht mehr mit ihr zusammenzuleben. Vielleicht verfliegt das Verliebtsein ja auch in ein paar Monaten wieder? Ich weiß nicht, was ich tun soll.

Lieber Clemens, „Liebe geht nicht vorbei“. Ich sehe das oft bei glücklichen Paaren, und auch bei solchen, die eine gute Trennung geschafft haben und auch bei denen, die sich lange böse sind. Sie lieben Ihre Frau und haben 30 gute Jahre zusammen erlebt. Die Liebe ist geblieben, die körperliche Anziehung ist weniger geworden. Sie waren so mutig, eine Öffnung zuzulassen, Sie werden sehr offen miteinander gesprochen haben. Und Sie haben beide Ihre Erfahrungen damit gemacht, alle Achtung. Und doch birgt das die Gefahr, sich irgendwann zu verlieben. Das ist Ihnen jetzt passiert.

Sexualität ist etwas Bindendes, etwas so Schönes, das macht sich im ganzen Körper und auch im Kopf breit, manchmal ist das so stark, dass eine andere Liebe dahinter zurücktritt. Und dann gibt es noch einen Dritten im Bunde, die Frau, in die Sie sich verliebt haben, mit ihren Wünschen nach einer und Erwartungen an eine monogame Beziehung.

Clemens, für Sie hat beides einen hohen Stellenwert. Etwas in Ihnen weiß, dass Sie beides so nicht werden behalten können, in Ihnen muss eine Entscheidung wachsen. Das ist schwer.

Es gibt nicht nur zwei Möglichkeiten

Jede Paarbeziehung beginnt mit dem Moment, der dem Verliebtsein vorausgeht. Hier spielt sexueller Reiz eine Rolle. Nach der Verliebtheit kommt dann der nächste Schritt einer Beziehung, die Differenzierung, die wirkliche Begegnung; es beginnt ein neues Aushandeln im Miteinander. Das alles hätten Sie mit Ihrer neuen Partnerin vor sich, und Ihre berechtigte Befürchtung ist, dass sich das ganz Wunderbare dann verändert.

Wenn es um Entscheidungen geht, denken wir oft, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Sie könnten mit Ihrer Frau zusammen bleiben und auf Ihre neue Liebe verzichten, oder Sie können mit allen getroffenen Vereinbarungen bei Ihrer Frau bleiben. Schreiben Sie sich das auf zwei Zettel und legen Sie diese vor sich hin. Es gibt aber noch mehr Möglichkeiten: Doch beide Beziehungen leben oder auf beide Beziehungen verzichten. Sie können auch das auf je einen Zettel schreiben. Schauen Sie sich das Ganze an und fühlen Sie sich in jede Position ein.

Sie können sich Zeit lassen und immer wieder mal diese vier Zettel vor sich hinlegen. Sie werden sehen, dass sich Ihr Gefühl zu den einzelnen Positionen verändert und eine Entscheidung klarer wird. Vertrauen Sie Ihrem Gefühl!