Die Wahrheit unter dem Dekolleté – zum Tod von Raquel Welch
Sie galt als Sexsymbol ihrer Zeit. Dabei war sie es, die die Hollywood-Ära mit einem Schuss Ironie in das Popzeitalter überführte. Ein Nachruf.

Nichts war in den ersten Nachkriegsjahrzehnten für eine junge Schauspielerin gefährlicher als das Etikett Fräuleinwunder, Sex-Bombe oder Busen-Star. In derlei Begriffen drückte sich eine Pin-up-Mentalität aus, die sich wie eine Spur der Verachtung durch das Filmgeschäft zog und vermeintliche Bewunderung in tief empfundene Misogynie tunkte.
Die 1940 in Chicago geborene Raquel Welch war nach der Ära von Glamour-Stars wie Marilyn Monroe, Mae West und Rita Hayworth eine, die das stark sexualisierte Vollweib-Image in das knallbunte Popjahrzehnt der 1970er-Jahre überführte.
Abschied von Hollywood
Keine der Meldungen zu ihrem Tod im Alter von 82 Jahren mochte am Donnerstag auf den Hinweis verzichten, dass sie als Höhlenmädchen Loana, allein mit einem Fell-Bikini bekleidet, 1966 in dem Film „Eine Million Jahre vor unserer Zeit“ berühmt geworden war. Die Steinzeit wird darin als Urzeit idealisiert, in der es noch keine sexuelle Verklemmung gab – die dann jedoch spekulativ ausagiert wird. Raquel Welch musste fortan mit diesem Bild ihrer selbst zurechtkommen. Dabei waren einige der Filme, in denen sie gerade wegen ihrer äußeren Erscheinung besetzt wurde, Ausdruck einer allzu leichtfertig verkannten filmischen Experimentierlust. Der Film „Myra Breckinridge – Mann oder Frau?“ nach einem Roman von Gore Vidal griff das Thema der Transsexualität auf, floppte letztlich aber, weil es ihm nicht gelang, zwischen ernstem Zugang und Zotenhaftigkeit zu unterscheiden.
Raquel Welch verkörperte aufgrund ihrer enormen Leinwandpräsenz eine Hollywood-Ära an der Schwelle zu deren satirischer Verabschiedung. Einzigartig ist in dieser Hinsicht Richard Lesters „Die drei Musketiere“ von 1973, den er als farbenprächtigen Kostümfilm mit einem überbordenden Hang zum Slapstick inszenierte. Richard Lester war mit dem Beatles-Film „Yeah, Yeah, Yeah“ berühmt geworden, sein Meisterstück aber war der Anti-Kriegsfilm „Wie ich den Krieg gewann“ mit John Lennon in der Hauptrolle, der geschickt mit dem Einsatz von Farb- und Schwarz-Weiß-Sequenzen spielte.
Starke Frau neben starken Typen
Raquel Welch zog als Ikone ihrer selbst weiter durch eine Reihe von Western, zum Beispiel „100 Gewehre“ von Tom Gries, zusammen mit Burt Reynolds. Mit ihm spielte sie auch in der Kriminalkomödie „Auf leisen Sohlen kommt der Tod“. Raquel Welch war nun die Frau, die man an die Seite starker Typen stellte, etwa neben Jean Paul Belmondo in „Ein irrer Typ“. Nach einer längeren Filmpause kehrte sie in den 80er-Jahren als Performerin in Aerobic-Videos zurück. Ihre 2010 erschienene Autobiografie trug den selbstironischen Titel „Raquel: Beyond The Cleavage“. Was sich unter ihrem Dekolleté (Cleavage) befand, schien für die Männerwelt nicht nur eine Verheißung zu sein, sondern auch Bedrohung. Nach kurzer Krankheit ist Raquel Welch nun in Los Angeles gestorben.