Nationalgalerist und Hüter der Bilder aus dem Osten

Der Berliner Kunsthistoriker Roland März starb 81-jährig in Berlin. Er war eine Instanz im Museumswesen der DDR und nach der Vereinigung der Nationalgalerie West und Ost.

Der Berliner Kunsthistoriker und Museumsmann Roland März (1939–2020).
Der Berliner Kunsthistoriker und Museumsmann Roland März (1939–2020).dpa

Berlin - Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass der bedeutendste ostdeutsche Malerei-Anteil in der Sammlung der Nationalgalerie die charakteristische Handschrift von Roland März trägt. Der promovierte Kunsthistoriker, bis 2004 Kustos der Neuen Nationalgalerie, war ein Kenner und Hüter jener Bilder, die nach 1990 in die Staatlichen Museen zu Berlin eingingen. Mit viel Geschick prägte er zur DDR-Zeit die Ankaufspolitik der Nationalgalerie Ost. Er sorgte für Vielfalt, Qualität und allerlei intellektuellen Diskurs.

So gelangten durch ihn Werke in die Sammlung, deren Malerinnen und Maler nicht zu den staatlichen Vorzeigekünstlern gehörten, heute aber umso mehr einen wichtigen Platz in der deutschen Kunstgeschichte haben – etwa die Harald Metzkes. März’ Wirken war stets von kenntnisreichen wie unterhaltsamen Publikationen begleitet. So erforschte er etwa das Lebenswerk John Heartfields, des Pioniers der Fotomontage. In seinen Texten offenbarte sich ein geradezu dadaistisches Kunsthistoriker-Naturell.

Der gebürtige Leipziger – studiert hatte er an der Humboldt-Universität in Berlin – kuratierte neben den beliebten Studio-Ausstellungen zur modernen Kunst auch andere, spektakuläre Expositionen. Mitte der 70er-Jahre gelang ihm mit „Realismus und Sachlichkeit“ die Wiederentdeckung von Malern wie Otto Dix und dessen Zeitgenossen. Zum Publikumsrenner mit Strahlkraft in die ganze Welt, gerade in die USA, wurde 1986 die fulminante Schau „Expressionismus – Die Avantgarde in Deutschland 1905–1920“. Deren Katalog zählt seitdem zu den kunstwissenschaftlichen Standardwerken zum Expressionismus.

Im Jahr 2003 breitete März, zusammen mit seinem Kollegen Eugen Blume, in „Utopie und Realität“ das Who is Who der ostdeutschen Malerei aus. In einem Text zu dieser Bilderschau schrieb er damals diese bemerkenswerten Sätze: „In Gründerzeiten zeichnen sich Kunstwerke immer durch ein unheimliches Interesse an Stoffen vergangener Zeiten aus. Die DDR, 1949 mit der Utopie vom ‚Neuen Menschen‘ in einer sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft angetreten, berief sich dabei auf revolutionäre Traditionen, um damit ihren Gesellschafts- und Herrschaftsanspruch zu begründen. In chiliastischer Staatsglorifikation vollzog sie dabei die Angleichung an gescheiterte wie siegreiche Revolutionen, weil man selbst keine hatte.“

Roland März ist, wie sein Freund und einstiger Kollege Fritz Jacobi nun mitteilte, am 15. September in Berlin gestorben. Nach seiner Pensionierung und bis zuletzt befasste er sich tiefgründig mit dem Lebenswerk des Bauhausmeisters und Malers Lyonel Feininger. Er unterstützte auch das Feininger-Museum  in Quedlinburg/Harz. März hinterlässt nicht zuletzt humorvolle Texte über Feininger und dessen größte Leidenschaft: das Radfahren.