Welten im Plural: Das HKW unter Bonaventure Ndikung stellt sich vor

Der neue HKW-Direktor Bonaventure Ndikung will mit dem Haus Strategien für besseres Zusammenleben nachspüren. Das ist ein vielversprechendes Unterfangen.

Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, neuer Intendant und Chefkurator im Haus der Kulturen der Welt
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, neuer Intendant und Chefkurator im Haus der Kulturen der WeltBernd von Jutrczenka/dpa

Berlin-Im Juni ist es so weit. In weniger als drei Monaten öffnet das Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) unter der Leitung des Berliner Kurators und Professors Bonaventure Soh Bejeng Ndikung seine Türen. Das lang erwartete Programm des neu aufgestellten HKW wurde am Dienstag der Öffentlichkeit präsentiert. Das Haus, das in den vergangenen 16 Jahren unter Bernd Scherer als Ort für kritischen Gegendiskurs bekannt wurde – irgendwo im fein kalibrierten sweet spot zwischen Kunstpraxis und akademischer Expertise –, soll jetzt zu einem Haus der Gastfreundschaft werden, sagte Ndikung am Dienstag bei der Vorstellung seines Teams und des HKW-Programms für die kommenden Jahre.

Man wolle damit zum Verständnis einer Welt beitragen, „die mit vielen anderen Welten schwanger ist“, sagte Ndikung vor dem Publikum im voll besetzten Auditorium des HKW. Eine Welt, „die selbstbewusst genug ist, sich vom Universum zu lösen und sich selbst als Pluriversum zu bezeichnen“. Konkret heißt das, bei aller zweifellos bestehen bleibenden Liebe zu Komplexität und Diskurs: Ndikung und sein Team wollen das HKW musikalischer, performativer, grooviger und knalliger machen.

So war in Ndikungs Vortrag immer wieder vom Körper die Rede, der ins Zentrum der Auseinandersetzung gestellt und als sprichwörtliches Instrument begriffen werden solle, um zwischen sozialen und kulturellen Zugehörigkeiten zu vermitteln. Durch Schwerpunkte wie Tanz und Essen wolle man die Elastizität des Begriffs der Wissenschaft ausloten.

Das HKW, betonte Ndikung, solle ein Haus der Vielfalt werden: Es gebe hier keinen Platz für Altersdiskriminierung, Antisemitismus, Geschlechterdiskriminierung, Homophobie, Islamophobie, Rassismus, Sexismus, Transphobie oder sonstige Formen der Diskriminierung. Im HKW würden Liebe, Respekt und Großzügigkeit gelebt. „In einer Zeit, in der die Menschlichkeit weltweit auf die Probe gestellt und sogar negiert wird, macht sich das HKW die emanzipatorische Maxime der haitianischen Revolution zu eigen“, erklärte der neue Direktor, „kein menschliches Leben ist wichtiger als ein anderes.“

„Die Welt aus dem Osten sehen“

Das kuratorische Team, das unter anderem aus dem Redakteur Eric Otieno, den Kuratorinnen Paz Guevara und Sara Morais dos Santos Bruss sowie dem Autor Max Czollek besteht, will sich in den kommenden Jahren unter anderem mit Tanzworkshops, Erinnerungskultur und den Folgen kolonialer Geschichte befassen. Einer der vorgestellten Schwerpunkte lautet: „Die Welt aus dem Osten sehen.“ Hier soll westlich-eurozentrischen Perspektiven entgegengearbeitet und die komplexen Beziehungen ehemaliger „Bruderländer“ wie Mosambik und Kuba zur DDR sollen in den Blick genommen werden.

Eric Otieno, der im neuen HKW für Publikationspraktiken zuständig ist, verwies im Rahmen der Vorstellung auch auf die belastete Geschichte des Hauses selbst. Das Gebäude war bekanntlich ein Geschenk der USA an die damals noch junge Bundesrepublik. Im Jahr 1957 vom amerikanischen Architekten Hugh Stubbins entworfen, wurde es einem der Gründerväter der USA, Benjamin Franklin, gewidmet. Dieser hielt sich als junger Mann – bevor er sich später gegen die Sklaverei aussprach – selbst Sklaven. Der anvisierten Publikationspraxis im HKW geht es nun offenbar darum, derartige Spuren offenzulegen und kritisch zu hinterfragen.

Trotz Kritik: Das HKW-Programm steht

Die Programmvorstellung wurde einleitend von einer Band und einem MC begleitet, die einen Vorgeschmack auf die Fokusverschiebung in Richtung Musikalität und Performance lieferten. Bei aller Vorfreude muss auch daran erinnert werden, dass Ndikungs Rolle als HKW-Direktor nicht selten bedroht schien. In der jüngeren Geschichte größerer deutscher Kulturinstitutionen gibt es wohl kaum einen Kurator, der sich bereits vor Amtsantritt mit mehrfachen und durchaus gezielten Versuchen auseinandersetzen musste, sein Image zu beschädigen oder gar seine Ernennung rückgängig zu machen. So wurde Ndikung über die letzten zwei Jahre hinweg von Medien wie Welt, Bild und FAZ vorgeworfen, auf die ein oder andere Weise der Israel-Boykott-Bewegung BDS nahezustehen. Dass Ndikung dies mehrfach dementiert hat, half ihm im deutschen Medienkosmos letztlich wenig.

Ob die Unfähigkeit, den ursprünglich aus Kamerun stammenden Kurator in einer öffentlichen Leitungsfunktion in Deutschland zu akzeptieren, mit unterschwelligem Rassismus zusammenhängt? Manches schien dafürzusprechen. Viel interessanter als die vehementen Angriffe auf Ndikungs Person und das HKW in den vergangenen Monaten ist letztlich das neue Programm, das diesen Sommer – sobald die umfängliche Renovierung des Hauses abgeschlossen ist – starten soll. Eine Kostprobe gibt es übrigens online, unter: www.hkw.de.

Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Eröffnungswochenende am 2.–4. Juni 2023