Neue Philosophie-Magazine: Du sollst denken!
Berlin - Es weiß ja keiner, was Philosophie eigentlich ist. Ja gut, Denken ist ihr Geschäft. Aber was genau ist Denken? Eine Sache der Vernunft? Nicht auch des Gefühls? Da haben wir es schon: Wer so fragt, ist in philosophisches Gestrüpp geraten. Und es fragen viele so, keineswegs nur sozialversicherte Hochschuldenker, sondern zum Beispiel auch: Hausfrauen, Väter, Banker, Fußballer und Feuilletonredakteure. Nur, dass sie kaum wagen, den Titel des Philosophen zu führen. Denn Philosophen, so will es das Klischee, sind grüblerische Gesellen, die unverständliches Zeug murmeln.
Wo aber das Philosophieren aufhört und das Küchenherumspinnern anfängt, ist selbst die am heftigsten umstrittene Frage der Philosophie. Heißt: Es gibt so viele Philosophien, wie es Philosophen gibt. In Zahlen ausgedrückt: In Deutschland sind es mindestens 100.000 Menschen. Mit dieser Auflagenzahl liegt ab heute das Philosophie Magazin an den Kiosken. Es wendet sich an alle, die „Freude am Denken“ haben, so der Chefredakteur Wolfram Eilenberger. Man wolle philosophische Perspektiven auf „konkrete Lebensfragen“ werfen. Ein Ratgebermagazin für rotweinschlürfende Feierabenddenker ist dieses bunt und angenehm locker gestaltete Magazin dennoch nicht, sondern der Versuch, „die Philosophie in den Alltag zu bringen“, auch in den Zeitschriftenalltag.
Ein Markt wird entdeckt
Das Bedürfnis nach Philosophie ist spätestens seit dem Bestseller von Richard David Precht („Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“) längst ein Massenphänomen. Es speist sich aus dem diffusen Verlangen nach Übersicht und Orientierung, in diesen unseren verwirrenden Krisenzeiten erst recht.
Insofern ist es erstaunlich, dass der deutsche Markt für populärphilosophische Magazine erst jetzt entdeckt wird. Vor fünf Jahren bereits gründete der französische Verleger Fabrice Gerschel in Paris das Philosophie Magazin, die Idee kam ihm am „sonnigen Strand auf Korsika“. Es ist eine Erfolgsgeschichte.
Mit dem deutschen Ableger und einer Berliner Redaktion will er ihn auf dem deutschsprachigen Markt wiederholen. Das erste Heft spricht sehr dafür: Mit dem Titelthema („Warum haben wir Kinder?“) wird in bester philosophischer Manier eine der zentralen Lebensfragen verhandelt: Das Für und Wider hält sich hier argumentativ die Waage. Der Leser darf selber denken, findet aber reichlich Stoff, seine Gedanken zu schärfen. Der Coup des Heftes: ein Interview des Wikileaks-Gründers Julian Assange mit dem Moralphilosophen Peter Singer. Allein deshalb sollte man das Heft haben.
Buhlen um die Alltagsphilosophen
Zeitgleich buhlt nun aber noch ein zweites, sehr ähnlich angelegtes Philosophie-Magazin um die Lesergunst, Hohe Luft, mit einer Startauflage von 70.000 Stück herausgegeben von Katarzyna Mol im Emotion-Verlag mit Sitz in Hamburg, Stadtteil Hoheluft. Auch hier soll es nicht um „abseitige Theorien“, sondern die Welt gehen, „in der wir alle leben“. Auch damit soll die Philosophie vom akademischen Diskurs „zurück ins Leben“ geholt werden. Es gibt sogar eine nahezu identische Rubrik („Sokrates fragt“) in beiden Magazinen.
Fabrice Gerschel zeigte sich arg verschnupft über diese Parallelgründung; es habe auf seine Einladung hin zwischen beiden Verlegern und Redaktionen Gespräche über eine mögliche Kooperation gegeben. Man sei nicht übereingekommen; jetzt erscheint mit „Hohe Luft“ am Donnerstag ein weiteres Magazin – im Zweimonatsrhythmus. Es gibt in diesem kühler anmutenden Heft „für alle, die Lust am Denken haben“ einen eleganten Fotoessay zur Frage „Wer ist der Andere?“, weniger Themen und längere Texte. Die Zielgruppe beider Zeitschriften aber ist gleich: die große Schar der Alltagsphilosophen.