Oscargewinner Edward Berger: „Botschaft von Remarque ist zeitlos“

Die Macher des Films „Im Westen nichts Neues“ wollen dazu beitragen, dass die Botschaft vom Irrsinn des Krieges gehört wird. 

Bester internationaler Film: Regisseur Edward Berger mit seinem Oscar für „Im Westen nichts Neues“.
Bester internationaler Film: Regisseur Edward Berger mit seinem Oscar für „Im Westen nichts Neues“.JOHN ANGELILLO/Imago

Edward Berger, der Regisseur, Co-Produzent und Co-Autor von „Im Westen nichts Neues“, und sein Produzent Malte Grunert wünschen sich, dass der Oscar-Erfolg ihres Films auch dazu beiträgt, die Sinnlosigkeit des Krieges zu begreifen und gegenzusteuern. Sie sagten in einem Statement für die Berliner Zeitung: „Als wir uns auf diese Reise begaben, machten wir uns daran, einen Film über einen Teil unserer Geschichte zu drehen. Zum Zeitpunkt der Premiere war der Film jedoch auch zu einem Film über unsere Gegenwart geworden, in der die Welt erneut in Konflikte verwickelt war. Leider ist die Botschaft von Remarque zeitlos. Wir hoffen, dass sie in Zukunft lauter nachhallen kann.“

Berger und Grunert stehen am Dienstag nach dem Gewinn von vier Oscars immer noch unter dem Eindruck des Erfolgs. Sie sagen: „Was für eine Nacht. Wir sind überwältigt und blicken mit Demut auf den Erfolg unseres Films. Wir sind unserer unglaublichen Besetzung und Crew zu Dank verpflichtet – der Film wäre ohne sie nicht das, was er ist, und diese Preise sind für sie alle.“

Im Interview mit der Berliner Zeitung hatte Edward Berger vor zwei Wochen den politischen Hintergrund des Films zur Zeit seiner Entstehung ab dem Herbst 2019 erläutert: „Es war die Zeit von Trump, Brexit, Orbán, der AfD. Überall wurden Menschen in Parlamente gewählt, die die Demokratie infrage stellen. Es begann die Zeit des Isolationismus, des Nationalismus und Patriotismus. Ich habe auf den Straßen plötzlich Sätze gehört, wie sie in den 1930er-Jahren zu hören waren: Angela Merkel müsste man an die Wand stellen. Das hat mich schockiert, denn es klang nicht so anders als vor 100 Jahren. Die Konfrontation wurde von den Parlamenten auf die Straße getragen. Und wo dieser konfrontative Diskurs hinführt, sehen wir jetzt in der Ukraine. Das konnte man damals alles schon spüren.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Auszeichnung der deutschen Netflix-Produktion „Im Westen nichts Neues“ mit vier Oscars als Riesenerfolg für den deutschen Film gewürdigt. „Darauf kann man zu Recht stolz sein!“, erklärte der Kanzler am Montag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Er zeigt gerade in dieser schwierigen Zeit unmissverständlich, wie furchtbar und unmenschlich Krieg ist“, fügte er hinzu.

Das von Malte Grunert produzierte Drama hat den Oscar in den Kategorien bester internationaler Film, beste Filmmusik, bestes Szenenbild und beste Kamera gewonnen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte, die Auszeichnungen würden dem deutschen Film weltweit neue Bedeutung verschaffen. „Es ist auch der richtige Film zur richtigen Zeit, da er einen Krieg in Europa in all seiner Grausamkeit und Brutalität beleuchtet, der gegenwärtig wieder mitten in Europa tobt, ausgelöst durch Putins verbrecherischen Angriff auf die Ukraine“, fügte die Grünen-Politikerin in Berlin hinzu.

Der kommissarische Leiter des Osnabrücker Friedenszentrums Erich Maria Remarque, Sven Jürgensen, unterstrich indessen die Aktualität des Antikriegsromans: „Die Menschen lesen seine Bücher in friedlichen Zeiten anders als in Zeiten, in denen Krieg wieder zu einer Option politischen Handelns geworden ist.“ Gleich vier der begehrten Oscars seien ein großes Kompliment für die vom Streamingdienst Netflix beauftragte Produktion sowie für die Schauspieler und den Regisseur Edward Berger, sagte Jürgensen dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Osnabrück.

Auch Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) zeigte sich erfreut über die vier Auszeichnungen für „Im Westen nichts Neues“ bei der Oscar-Gala. Heutige Zuschauerinnen und Zuschauer sähen die Verfilmung des 1928 entstandenen Buches über die Schrecken des Ersten Weltkrieges vor allem wie einen Kommentar auf den Krieg in der Ukraine, sagte Pötter. Der in Osnabrück geborene Schriftsteller Erich Maria Remarque (1898–1970) schildere „Ereignisse, von denen wir geglaubt haben, sie könnten in Europa nicht mehr stattfinden“.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gratulierte dem Düsseldorfer Komponisten Volker Bertelmann zum Oscar für die beste Filmmusik. „NRW goes Hollywood“, schrieb Wüst am Montag auf Twitter. Eine der begehrtesten Trophäen der Filmszene gehe nach Nordrhein-Westfalen: „Herzlichen Glückwunsch, Volker Bertelmann alias Hauschka und dem ganzen Team!“ Der Pianist Bertelmann mit dem Künstlernamen Hauschka komponierte den Soundtrack für das Antikriegsdrama von Edward Berger.

Die Neuverfilmung des Romans von Erich Maria Remarque war in insgesamt neun Kategorien für den wichtigsten Filmpreis der Welt nominiert, der in der Nacht auf Montag in Los Angeles vergeben wurde. Regisseur Edward Berger liefert gut 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs und gut 90 Jahre nach der erstmaligen Verfilmung durch Lewis Milestone die erste deutsche Interpretation des Stoffes. Die Verfilmung von Milestone aus dem Jahr 1930 erhielt seinerzeit drei Oscars. (mit epd)