Peter Handke & Co.: Glück hat, wer keinen Nobelpreis gewinnt
Die Schweden hätte Peter Handke nicht viel Schlimmeres antun können, als ihm den Literaturnobelpreis zu verleihen. Es war doch gerade eine ganze Wildblumenwiese über die Serbien-Sache gewachsen und kaum einer erinnerte sich noch an die Jugoslawien-Kriege und Handkes irrlichternden Einlassungen dazu. Ruhe war eingekehrt, das Gras wuchs und wuchs. Er hätte noch ein paar Bücher schreiben, ein paar subnobelartige Preise gewinnen können und wäre in die Literaturgeschichte eingegangen als ein verdienter Autor, der sich hin und wieder in der politischen Arena verlaufen hat. So aber, mit einem Nobelpreis um den Hals, wird nichts daraus.
Nobelpreis: Je höher die Karriereleiter, desto intensiver die Suche nach Fehltritten
Für Schriftsteller und alle anderen Personen des öffentlichen Lebens gilt, was auch für Politiker gilt: je höher sie die Karriereleiter hinaufklimmen, desto intensiver wird ihre Biografie nach Fehltritten und Skandalen untersucht. Wer ganz oben, in der Sphäre der Nobelpreise, Bonus-Zahlungen oder der Macht mitspielen will, muss entweder eine so weiße Weste mitbringen, dass es schon wieder langweilig wird oder den Shitstorm überleben, den die Vergangenheit entfacht. Die Doktorarbeit einer Bezirksbürgermeisterin interessiert kein Schwein, die Doktorarbeit einer Ministerin ganze Schwärme. Schwarz angemalte Gesichter zu Karneval gehen bei einem weißen Studenten noch durch, kehren aber wie ein Bumerang zurück, wenn man das Level Premierminister erreicht hat. Es ist eine Dynamik, die nicht aus Böswilligkeit in Gang gesetzt wird; sie ist der Preis, der zu zahlen ist: Gesellschaft und Öffentlichkeit wollen wissen, ob all die Aufmerksamkeit, der Ruhm, der finanzielle Vorteil auch verdient sind und man den Bevorteilten trauen kann.
Vor allem Frauen und Männer, die einen hohen moralischen Anspruch an sich und ihre Umwelt haben, tappen schnell in die Falle. Einem Saubermann verzeiht man den Seitensprung nicht, Donald Trump und Genossen dagegen schon. Sie können ihre Sünden wie Trophäen vor sich hertragen und werden dafür bewundert. Das Geheimnis ihres Erfolges ist nicht, dass sie bessere Menschen sind, sondern so schlecht und egoistisch wie der Durchschnittsbürger und ebenso darauf versessen, das Finanzamt übers Ohr zu hauen wie diese. Das Problem der Linken war schon immer, dass sie die besseren Menschen sein wollten, und in gewisser Weise ist es auch das Problem von Peter Handke.
Nobelpreis ist nicht in Sicht
Die Texte von Handke waren noch nie mein Fall: zu viel ereignisarmer Nebel und eine reaktionäre Dichterfürst-Haltung. Er war nie so schlimm wie Botho Strauß, aber viel fehlte nicht. Beide reklamieren für sich, anderen Sphären anzugehören, denen der Literatur, was sie von mir aus gerne tun dürfen. Aber wenn sie in die Niederungen der Politik eintauchen, müssen sie auch den Kopf dafür hinhalten. Zuerst Partei in einem Bürgerkrieg ergreifen und Jahre später sagen, man sei nur ein Schriftsteller und verstehe die Aufregung nicht, ist Feigheit vor der eigenen Geschichte. Um es mit Meghan. Und Harry zu sagen: Wer bei den Royals einheiratet sollte mit Paparazzi rechnen.
Wenn Künstler Politik machen, geht es sowieso meistens schief, weshalb ich jetzt auch still bin. Erstens bin ich durch meine Abgaben an die Künstlersozialkasse Teil der Truppe und zweitens habe ich schon viel Blödsinn in meinem Leben geschrieben. Aber zum Glück – das ist die frohe Botschaft des Tages – ist weit und breit kein Nobelpreis in Sicht.