Phubbing: Wir brauchen dieses Wort
Nein, wir sind nicht auf die „Stop Phubbing!“-Kamgagne eines angeblichen australischen Studenten hereingefallen wie all unsere lieben Konkurrenten, die im vergangenen Sommer darüber berichteten, als wir im Urlaub waren. Nicht, dass wir uns dessen rühmen wollen. Denn wir haben ja überhaupt erst gestern von dieser Kampagne erfahren, als in dem Internetmagazin intmag.de aufgedeckt wurde, dass es sich um eine Fälschung handelt. Obacht! Ist vielleicht auch die Aufdeckung der Fälschung der Kampagne ein Teil dieser Kampagne, die ohne ihre Fälschungsaufdeckung möglicherweise einfach vergessen worden wäre? Auch wenn sie gefälscht ist, hält es uns nicht davon ab, die Kampagne reinsten Herzens zu unterstützen. Auch wir sagen: „Stop Phubbing!“
Bevor Sie sich uns anschließen, wollen Sie vielleicht wissen, was „Phubbing“ ist. Das englische Wort ist zusammengesetzt worden aus phone (Telefon) und to snub (brüskieren, rüffeln, verächtlich behandeln). Jemand betreibt „Phubbing“, wenn er in einer herkömmlichen sozialen Face-to-face-Situation (Candle-Light-Dinner, Trennungsgespräch, Standpauke) nebenher auf sein Smartphone guckt (E-Mails liest, das Wetter kontrolliert, Autorennen spielt). Eine Unhöflichkeit, die eine saftige Zurechtweisung erfordert: „Hör sofort auf, über dein Telefon irgendwelche für mich nicht einsehbare Informationen mit Leuten auszutauschen, die dir sogar abwesenderweise wichtiger sind als ich in meiner materiellen Präsenz!“ Besser anschreien lässt sich der Übeltäter mit: „Stop Phubbing!“
Werbung für Wörterbücher
Hauptzweck der Kampagne war nun leider nicht der Kampf gegen diese Unsitte, sondern Werbung für Wörterbücher. Die Werbeagentur McCann Erickson hat sich das Wort ausgedacht und über die erfundene Initiative des australischen Studenten lanciert. Die Medien − wir nicht! − berichteten. Damit sollte klar werden, dass Sprache lebt und immer neue Worte entstehen, deren Bedeutung man irgendwo nachschlagen muss, damit man mitreden kann. So, nun haben auch wir hier in diesem Aufklärungsartikel Werbung für Wörterbücher und für die clevere Werbeagentur gemacht. Doch wir sind generös, weil wir auf den Nebeneffekt der Kampagne hoffen.
Denn um eine Unsitte zu bekämpfen, muss man sie ja irgendwie bezeichnen. „Phubbing“ ist doch schön griffig. Aber was ist, wenn man jemanden auf deutsch zurechtweisen will? Gerade Leute, die sich von der geteilten Aufmerksamkeit gekränkt fühlen, sind eher kulturkonservativ eingestellt und würden ein deutsches Wort befürworten: „Hör auf, mich zu telebrüskieren!“ Oder: „Schluss mit der Fernsprechaparüffelei!“ Geht nicht. Wie wäre es mit: „Auf Wiederhören!“