Pionier der Konzeptkunst im Nahen Osten: Hassan Sharif in den Kunst-Werken

„I Am The Single Work Artist“, sagte der 2016 verstorbene arabische Künstler über sich selbst. Sein überbordendes, rhythmisches Werk ist in der gleichnamigen Retrospektive groß, bunt und raumgreifend sehr schön erfasst.

Berlin-Haufen, Reihen, Muster, Bündel und Kaskaden – auf diesen Nenner könnte man die raumgreifende Kunst, die Objekte, Collagen und Hybride des Hassan Sharif bringen. Inmitten der großen Ausstellungshalle der Kunst-Werke türmen sich bunte Plastikschlappen zu einem fröhlichen Berg und reihen sich fächerförmige Strohbesen zu einem wandfüllenden Panoramabild. Zu kleinen Bündeln geknotete Kartons und benutztes Papier liegen wie Archivalien in einer Vitrine aus, während sich von einer anderen Wand eine Kaskade aus Aluminiumschalen ergießt.

Hassan Sharifs „Slippers and Wire“ von türmen sich zu einem Berg. 
Hassan Sharifs „Slippers and Wire“ von türmen sich zu einem Berg. Courtesy Sharjah Art Foundation Collection/Frank Sperling

Überbordend und zugleich konzis, rhythmisch in die Vollen greifend und hochkonzentriert ist das Werk dieses Pioniers der Konzeptkunst im Nahen und Mittleren Osten, dem das Kunst-Institut eine große Retrospektive widmet. „I Am The Single Work Artist“, sagte er über sich selbst, was zum Titel der Schau wurde. Hassan Sharif (1951–2016) wuchs in einer Zeit des Umbruchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf. Ab 1979 studierte er in London im intellektuellen Dunstkreis der Postmoderne. 1984 kehrte er nach Dubai zurück und brachte die Moderne in die durch ihren Ölreichtum plötzlich fortschrittsberauschte Wüstenregion.

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„Kunst wird wichtig, indem sie uns unsere tatsächliche Umwelt bewusst macht.“ Dieses Credo war Sharif essenziell. Beeinflusst von Fluxus, Marcel Broodthaers und Duchamps, dessen Ironie und Sprachwitz ihn faszinierten, wie er in einem Videodokument erzählt, betonte er stets das Nichtelitäre und den Lokalismus. Er plädierte dafür, Kulturgüter in eine prozesshafte Dynamik zu versetzen, und negierte die Eintönigkeit ewig wiedergekäuter Begriffe wie Identität, Sprache, Bräuche und Traditionen.

Fotografien, Skizzen und Karikaturen, mit denen er sich früh einen Namen machte, zeigen Sharifs Anfänge und Experimente als Performance-Künstler im öffentlichen Raum. Als Spielort diente ihm häufig der Al-Markazi-Markt in Schardscha. Man sieht, wie er das gefundene Material, die Pappe, das Dosenblech, die Bücher und Tücher zerteilt, bindet, biegt, knotet, knüllt und zu ganzen Werk-Zyklen akkumuliert, die auf Biennalen gezeigt wurden. Da er auf viel Unverständnis stieß, machte er sich kurzerhand durch Artikel zum Kunstvermittler in eigener Sache und der der ihm nachstrebenden Künstler.

Zum Zentrum intellektuellen Lebens in den Emiraten wurde sein Al-Marijah-Atelier. Vergleichbar vielleicht mit den Kunst-Werken selbst, dem Ausstellungshaus, dem Berlin entscheidend seinen Ruf als Kunstmetropole verdankt. Dessen Direktor Krist Gruijthuijsen, der es in den vergangenen Jahren wieder zur interessantesten Institution der Stadt gemacht hat, wurde für weitere vier Jahre bestätigt.

KW-Institut, Auguststraße 69. www.kw-berlin.de Bis 19. Juli