Pointen und Ressentiments

Arnulf Rating und sein "Jahrespresseschau" im BKA Theater.

Berlin-Eigentlich verspreche sein Programm ja Masochismus, weiß er und fragt: „Wollen wir uns das wirklich noch mal antun?“ All die Schlagzeilen des letzten Jahres will er „erstmals“ in einer „Jahrespresseschau“ servieren. Dabei gehört der Stapel mit den Bild-Zeitungen seit Jahren zu den Standard-Requisiten von Arnulf Rating. Die Überschriften mit ihren großen Buchstaben sind ja schon optisch wie gemacht fürs politische Kabarett. Zwangsläufig hat Ratings „Jahrespresseschau“ Überschneidungen zu seinem aktuellen „Tornado“-Programm, und manche der auf die Leinwand projizierten Titelbilder anderer Zeitungen sind auch nicht ganz neu. So stammen die Spiegel-Titel über Trump noch aus dem Jahre 2017.

Der Kabarettist Arnulf Rating bei einem früheren Auftritt in Berlin.
Der Kabarettist Arnulf Rating bei einem früheren Auftritt in Berlin.Imago/Ben Kriemann

Im BKA Theater aber tritt Arnulf Rating vor seine linke West-Berliner Anhängerschaft, die sich an derlei Details nicht stört. Im West-Berlin der 80er-Jahre hatte er als Teil der legendären „Drei Tornados“ seine andauernde Popularität erspielt – und die oft aufdringlichen Feiern zum 30. Jahrestag des Mauerfalls haben ihn offenbar daran erinnert, dass jene ummauerten Jahre seine glücklichsten gewesen sein könnten. Jedenfalls erklärt er den Mauerfall als geplatztes Kondom am Brandenburger Tor – deshalb auch der Ortsname „Pariser – platz!“ Und das 1989, in den Hochzeiten von Aids! Die Menschen, die nun in sein Biotop hineinströmten, beschreibt er gern mit den Worten „Zone“ oder „Banane“. Neuerdings ergänzt er die Assoziationskette um das Wörtchen „AfD“.

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Die meisten Schlagzeilen aber widmeten sich dem Klima und der Rente. Dabei stellt Rating Widersprüchliches gegeneinander. So preist er ein wirksames Mittel gegen Feinstaub und Plastikmüll – einfach weniger arbeiten, jeden Freitag aussetzen, so wie die „Fridays For Future“-Kids. Kurz darauf beklagt er in der Maskerade eines dickbäuchigen Rentners, dass die Rente so niedrig sei, dass er aus seinen West-Berliner Kiez in eine hässliche ostdeutsche Plattenbausiedlung vertrieben worden sei. Doch mit Arbeitsverzicht wird ja die Rente auch nicht höher. In einem weiteren Rollenspiel preist der Mann mit der Clownsfrisur als Mittel gegen die Erderwärmung den Verzicht auf neue Erdenbürger und wirbt für moderne Keuschheitsgürtel – als ob der Sex das Übel sei und als ob es nicht andere Methoden zur Verhütung gebe. Doch mit Parisern hat er ja schlechte Erfahrungen gemacht – siehe Mauerfall. Vermutlich aber zielt der Gags auf die katholische Kirche – die Gemeinnützigkeit dieses Männervereins stehe auf dem Spiel. Sein Mix aus Pointen und Ressentiments kommt im BKA Theater gut an. Interessanter wäre es zu sehen, wie seine „Jahrespresseschau“ in Chemnitz oder Rostock wirkt.