Pop-Szene in Norwegen: Warum norwegische Pop-Musik so gut ist
Man muss Norwegen nicht gleich zur Grande Nation des Pop erklären. Aber im Vergleich mit vielen weit größeren Ländern fällt doch sofort auf, wie selbstverständlich sich die Musiker des Fünfmillionenstaates international positionieren lassen. Jenseits der ohnehin renommierten Nischenarbeit in Metal, Jazz und Elektronik produziert zum Beispiel das Duo Stargate regelmäßig für Stars wie Beyoncé, Rihanna oder Katy Perry; die Elektropopper Röyksopp wurden gerade wieder für die Grammys nominiert.
Doch man kann das auch im Mittelbau beobachten, wie kürzlich in einem ausrangierten Flugzeughangar bei Oslo beim P3 Gull Award des öffentlich-rechtlichen Jugendradiosenders P3. Obwohl erst 2013 eingerichtet, gehört dieser zu den einflussreichsten Preisen des Landes, wird im staatlichen NRK-TV ausgestrahlt und wirkt – ein bisschen poplässiger moderiert vielleicht – zunächst nicht viel anders als etwa in Deutschland der Echo.
Der Unterschied zu vergleichbaren Veranstaltungen hierzulande liegt jedoch darin, dass man neben Röyksopp auch eine Sängerin wie Marit Larsen oder die eingängig schrägen Coldplay-artigen-Progpopper Highasakite und die Arcade-Fire-artigen Euphoriker Team Me jenseits ihrer Landesgrenzen kennt. Singer-/Songwriterin Larsen hat zum Beispiel allein in Deutschland 200000 Alben verkauft, die beiden letzteren Bands waren hier schon etliche Male auf Tour.
Sie sind, mit anderen Worten, exportfähig. Okay, sie singen englisch, was, wie Team Me erklären, musikalisch naheliegt, aber auch deswegen, weil „es fast eine zweite Landessprache ist, die man von Anfang an in der Schule lernt und im nicht-synchronisierten Fernsehen hört.“
Aber sie profitieren auch von einer Infrastruktur, die sich der in ganz Skandinavien seit langem aktiven Musikförderung verdankt. Man bezieht die Schulen ebenso ein wie man Proberäume und Auftrittsmöglichkeiten schafft und mit Botschaftsunterstützung Auslandsreisen organisiert. Drei Millionen Euro verwaltet das Exportbüro Music Norway jährlich und finanziert damit zum Beispiel auch die monatlichen Jajaja-Clubnächte für skandinavische Bands in London, Berlin und Wien. Auch das Indielabel Propeller Recordings, Heimat von Team Me und Highasakite, profitiert vom emsigen Netzwerk und erhielt 2011 zudem eine Förderung von 150000 Euro davon.
„Wir suchen uns gezielt Bands mit einem internationalen Appeal“, sagt Propeller-Mitgründer und Geschäftsführer Frithjof Hungnes, der seine Marktkenntnis unter anderem dem Studium und der Arbeit in den USA verdankt. „Um sie international zu platzieren, ist ein gutes Netzwerk viel wert. Aber ich mache immer zuerst einen Plan, und der wird dann über zwei, drei Jahre in kleinen Schritten abgearbeitet.“ Er sitzt in der Küche des kleinen, aber feinstens ausgestatteten Propeller Studios, das während der letzten Jahre vom experimentellen Jazz und dem Rock Motorpsychos bis zum Folkpop Marit Larsens scheinbar die gesamte Szene Norwegens betreut hat. Sein internationales Marktgespür bewies das Label wiederum von Beginn an, als es eher sperrige Acts wie die jazzige Sängerin und Laptop-Produzentin Hanne Hukkelberg (in England) oder die burleske Country-Folklore-Rock’n’Roll-Damencombo Katzenjammer (mit einer goldenen Schallplatte in Deutschland) am Markt etablierte.
Mittlerweile, sagt Hungnes, bekomme sein Label viele internationale Anfragen, weshalb man seit einem Jahr auch eine Dependance in London unterhält. Die Heimatbasis ist wichtig, und alle seine Künstler werden regelmäßig mit dem Spellemans und anderen Preisen ausgezeichnet. Aber „Norwegen ist ein kleiner Markt,“ meint der 53-Jährige entspannt. „Preise sind schön, aber lieber sind mir eigentlich viele kleine Aufmerksamkeiten, eine Konzertbesprechung hier oder eine Rezension dort, Dinge, die dafür sorgen, dass sich ein Name festsetzen kann.“
Entsprechend schickt man die Bands ausgiebig durch die Welt. Highasakite zogen letztes Jahr mit ihrem zweiten Album „Silent Treatment“ mit London Grammar durch die USA und tourten wie auch Team Me in Japan, England und Deutschland. Team Me andererseits bewarben ihr Debütalbum „To the Treetops“ von 2011 „fast von Beginn an außerhalb Norwegens, in England“, sagt Bandchef Marius Drogsas Hagen, „wo wir dann das Glück hatten, den Toursupport für British Seapower und die Wombats zu geben.
Warum Bands wie diese auch im schwierigen, englischsprachigen Raum funktionieren, kann man bei ihren ausgezeichneten Auftritten auf der P3-Preisgala erleben. Vor allem Team Me reißen ihr Publikum mit einer spektakulären Inszenierung mit. Für ihre schicke Single „F is for Faker“ lassen sie sich auf Schienen durch die Halle schieben, von einem großen Kinderchor begleitet, der vor Windmaschinen mit Klopapierrollen herumtobt. Auf dem Weg fahren sie euphorisch wimmelnd durch wild bemalte Kulissen zwischen Jackson-Pollock-Klecksen und einem Henri-Rousseau-Dschungel, der dem Artwork des neuen Albums „Blind As Night“ nachempfunden ist.
In Norwegen bereits ausführlich gefeiert, wird die Platte zur Tour im Februar nun auch in Deutschland erscheinen. Sie ist prächtig produziert, strahlend turbulent ausgestattet und ambitioniert überarrangiert. Nicht so gewaltig, dass sie den Indierock neu erfände. Aber geprägt von genau dem kleinen, beherzten Unterschied, der gutes Handwerk von gelungener Popmusik unterscheidet.
Team Me: Sonnabend, 28.2., 20 Uhr, Lido