Feministischer Porno „Muse“: Sex zwischen Frauen, wie man ihn selten sieht
Beim Dreh hatten die Darstellerinnen ungewohnte Freiheiten. Der Film zeigt, was andere Pornos verbergen – und setzt ästhetisch neue Maßstäbe.

Achselhaare, Speckrollen, eine minutenlange Handlung vor dem Akt: Der feministische Porno, der am Donnerstag im Soho House in Berlin-Mitte seine Premiere feierte, zeigt, was viele andere Filme ausradieren. Der Regisseurin Sylvia Borges und ihrem Team ist es gelungen, in „Muse“ mit Sehgewohnheiten zu brechen und ästhetisch neue Maßstäbe zu setzen.
Besonders in einer Szene. Der Zuschauer folgt einem großen Po, die Hüften schwingen in Zeitlupe zu majestätischer Musik. Ein Gänsehautmoment. Dicke Körper sieht man selten so verführerisch in Szene gesetzt.
Im Film nimmt die Protagonistin an einem Aktzeichenkurs Teil und fühlt sich zu der Frau auf dem Podest hingezogen. Das füllige Model räkelt sich selbstbewusst vor den Künstlerinnen, die sie begehren. Die Kamera fängt Details ein: Blicke, Gemälde, Körperteile.
„Zwei meiner dicken Freund:innen haben geweint, als sie den Film gesehen haben“, sagt Charlotte Kuhrt, die Art Direktorin in einer Fragerunde nach der Premiere. Neben Lust und Sexualität gehe es in ihrem Film auch um Heilung.
Die Gäste hatten zuvor im Keller des Soho Houses auf samtenen Sesseln Platz genommen und gebannt die Sexszenen zwischen drei Frauen beobachtet.

„Das Kichern zeigt mir, dass da noch viel Scham ist“
Als das Licht angeht, ist von vielen Seiten ein Kichern zu hören. Vielleicht, weil den Zuschauerinnen und Zuschauern wieder bewusst wird, dass sie beim Schauen des Pornos nicht allein waren.
„Das Kichern zeigt mir, dass da immer noch viel Scham ist. Mein Ziel ist es, die Scham zu beenden“, sagt Sylvia Borges, die den Film auch selbst produziert hat. Wegen der Algorithmen sei in Pornos immer wieder dieselbe Choreografie zu sehen, diesen Fokus wolle sie weiten, mehr Geschichten und verschiedene Körper zeigen.
Was gezeigt wird, ist das eine, was hinter den Kulissen passiert, das andere. Borges hat ihren Darstellerinnen den Freiraum gelassen, selbst zu entscheiden, wie sie Sex haben und hat sie gefragt, was sie ausprobieren wollen, sagt Puck Ellington, eine der Hauptdarstellerinnen: „Wir haben diese schöne Balance gefunden, die Charaktere zu spielen und gleichzeitig auch wir selbst zu bleiben.“
Ellington habe schon bei mehreren feministischen Produktionen in Berlin mitgewirkt, erzählt sie. Doch das Wort Feminismus sei oft vielmehr ein Etikett. Diesmal seien das erste Mal auch beim Dreh alle Kriterien erfüllt worden, auf die sie wert legt.
Der Film wurde an zwei Tagen in Köln gedreht, Cheex sitzt aber in Berlin. Borges hat wert darauf gelegt, dass es mehr als ein Tag ist, damit sich alle ans Set gewöhnen konnten und genug Zeit für Gespräche blieb. Die Gäste bewundern die Kunstwerke, die die Sexszene zeigen, später bei Getränken und Snacks.
Dass die Models sich bewegten, sieht Künstler Nathan Aardark positiv, der Stress helfe ihm beim zeichnen. Aber natürlich habe sein Herz ein wenig gepumpt, fügt er mit einem Lächeln hinzu.
Streaming-Hinweis: Wer „Muse“ sehen möchte, muss ein Abo auf der Plattform Cheex abschließen.
In einer früheren Version des Artikels wurde Cheex als Produktionsfirma genannt. Cheex ist Initiator und Inhaber der Nutzungsrechte, Sylvia Borges hat den Film allerdings selbst produziert