Pressefreiheit: Bundesinnenministerium fordert von Journalisten zu Unrecht 15.000 Euro
Das Bundesinnenministerium meint: Wer Auskunft nach dem Bundesinformationsfreiheitsgesetz begehrt, missbraucht das Gesetz und wird entsprechend bestraft. Das widerspricht zwar der Intention des Gesetzes, den Bürgern gegenüber Behörden des Bundes Zugang zu amtlichen Informationen zu verschaffen, entspricht aber der Intention des Bundesinnenministeriums, den Bürgern möglichst keinen Zugang zu verschaffen. Da es den Zugang nicht verbieten kann, hat es sich auf eine aus der Zeit des Raubrittertums bekannte Methode verlegt: Bürger, die sich Zugang verschaffen und Auskunft erhalten, werden beim Abgang um eine einschüchternde Summe erleichtert – auf dass sie es ja nicht wieder wagen.
Im aktuellen Fall hatten zwei Journalisten vor den Olympischen Spielen 2012 in London beim Bundesinnenministerium Einsicht in Akten der deutschen Sportförderung beantragt. Die Recherche war erfolgreich. Sie ergab, dass etwa eine Milliarde Euro pro Olympiazyklus im deutschen Spitzensport verteilt wird und dass die damals erstmals vereinbarten Medaillen-Zielvereinbarungen völlig überzogen waren.
Die Journalisten hatten allerdings vom Ministerium nicht nur eine Auskunft erhalten, sondern zugleich eine gewaltige Rechnung: Fast 15.000 Euro Gebühren sollten sie für die Auskunft bezahlen. Damit hielt sich das Ministerium formal an eine Verordnung zum Informationsfreiheitsgesetz, wonach für eine Auskunft maximal 500 Euro berechnet werden dürfen – denn die Behörde hatte die Anfrage der Journalisten in 66 Einzelanfragen zerlegt.
Keine Überraschung
Die Journalisten klagten und bekamen sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg Recht. Das OVG entschied, dass bei Informationsanträgen, die einen „Lebenssachverhalt“ – also ein bestimmtes Thema – erfassten, der Antrag nicht gestückelt werden dürfe. Die Entscheidungen waren wenig überraschend. Denn der Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes, den Bürgern die Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten durch vereinfachten Zugang zu Auskünften der Bundesbehörden zu erleichtern, würde offensichtlich konterkariert, wenn die betroffene Behörde sich für jede Auskunft mit ruinösen Gebührenbescheiden revanchieren dürfte.
Dieser Gedanke war aber offenbar zu naheliegend, um von den Beamten des Bundesinnenministeriums gefasst zu werden. Nach ihren Niederlagen in zwei Instanzen legten sie auch noch Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Das entschied gestern wie die Vorinstanzen (BVerwG 7 C 6.15 – Urteil vom 20. Oktober 2016) mit ganz ähnlicher Begründung.
Die Gebühren seien innerhalb eines Rahmens, der auch bei einem höheren Verwaltungsaufwand 500 Euro nicht übersteige, nach dem Informationsfreiheitsgesetz so zu bemessen, dass der begehrte Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden könne. Betreffe ein auf Informationszugang gerichteter Antrag einen einheitlichen Lebenssachverhalt, dann stelle seine Bescheidung – unabhängig von der Zahl der ergangenen Verwaltungsakte – gebührenrechtlich eine einheitliche Amtshandlung dar, die eine Gebühr von höchstens 500 Euro auslöse.
Die Behauptung ist untertrieben, das Urteil sei keine Überraschung. Vielmehr wäre jedes andere Urteil, das das Raubrittertum des Bundesinnenministeriums bestätigt hätte, kaum weniger als ein veritabler Justizskandal gewesen. Immerhin in diesem Fall gelungener Rechtsprechung lässt sich sagen: Das Selbstverständliche ist selbstverständlich.