Nach der Flucht auf die Bühne: Pussy Riot tritt heute im Treptower Funkhaus auf
Eine Tour der russischen Protestgruppe startet am Abend mit einer Botschaft gegen den Krieg. Die geflüchtete Aktivistin Maria Aljochina soll dabei sein.

Heute Abend wird es in Treptow laut. Die russische Punk-Protest-Gruppe Pussy Riot tritt im Funkhaus in der Nalepastraße auf; ein Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine wird nun zu ihrer bereits bekannten feministischen und Anti-Putin-Botschaft hinzukommen. Das Konzert wird mit Spannung erwartet, denn auf der Website des Funkhauses wird Pussy-Riot-Mitglied und Aktivistin Maria Aljochina als Teilnehmerin aufgeführt – nur wenige Tage nachdem ihr die Flucht aus Russland gelang. Erste internationale Prominenz bekam die Gruppe vor wohl zehn Jahren, schockieren kann sie aber immer noch: Diese Woche meinte Aljochina in einem Interview, Russland habe angesichts des aktuellen Krieges nicht mehr das Recht, überhaupt zu existieren.
Angekündigt wird das Konzert als erster Termin einer „Antikriegstour“ der Gruppe in Europa. Ihre Performance soll eine bunte Mischung werden aus Musik, Theater und Videokunst, die auf Aljochinas Buch „Riot Days“ basiert; dabei wird sich die Gruppe aber auch gegen den Krieg in der Ukraine positionieren und zum Frieden aufrufen. In ihrem 2017 veröffentlichten Buch erläuterte Aljochina Näheres zu dem Hintergrund der Protestaktion, die Pussy Riot 2012 weltberühmt machte – und zu deren Folgen.
Internationale Aufmerksamkeit bekam die Gruppe im Februar 2012, als fünf Mitglieder die Kanzel der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau stürmten und dort ihr sogenanntes Punk-Gebet aufführten. Das Bild- und Videomaterial der Aktion ging um die Welt. In dem Gebet bat die Gruppe die Jungfrau Maria, Russland von Putin zu befreien. Im Sommer desselben Jahres wurden dann drei Teilnehmerinnen, darunter auch Aljochina, wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. In ihrem Buch verglich Aljochina die Bedingungen während ihrer Inhaftierung mit einem Gulag. Ende 2013 wurde sie als Teil einer Amnestie im Vorfeld der Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi früh entlassen. Seitdem wurde die Gruppe zum Subjekt mehrerer Dokufilme, ging mehrmals in Europa und den USA auf Tournee und veranstaltete weitere Protestaktionen.
Als Essenslieferantin verkleidet flüchtete Aljochina aus Russland
Wegen ihrer fortgesetzten Teilnahme an solchen Aktionen ist Aljochina aber mehrmals festgenommen worden. Allein seit vergangenem Sommer wurde sie sechsmal verhaftet für die Dauer von 15 Tagen. Im September 2021 wurde sie zu einem Jahr Freiheitsbeschränkung mit nächtlichem Ausgangsverbot verurteilt – weil sie zu Protesten zur Unterstützung Alexei Nawalny ausgerufen hatte. Im April erfuhr sie aber, dass ihr bisheriger Hausarrest in eine Strafe von 21 Tagen in einer Strafkolonie umgewandelt würde. Dann am Dienstag wurde überraschend bekannt, dass sie es trotz Hausarrest geschafft hat, Russland zu entkommen – sie soll sich als Essenslieferantin verkleidet haben und so unentdeckt aus ihrer Wohnung und dann auch aus Russland fliehen können.
Nach ihrer Flucht über Belarus, Litauen und Island befindet sich Aljochina nun in Berlin. Sie hat gegenüber anderen Medien erklärt, dass sie Hoffnung hat – für Russland, dass das Land sich immer noch neu erfindet und schließlich auch einst Freiheit findet. Nach der Premiere heute Abend in Berlin geht die Pussy-Riot-Tour durch Deutschland weiter, unter anderem in München und Stuttgart, danach auch in anderen Ländern Europas und den USA.
Pussy Riots Show „Riot Days“ wird heute Abend im Funkhaus (Nalepastraße 18, 12459 Berlin) uraufgeführt. Einlass 20 Uhr, Konzertbeginn 21 Uhr. Karten sind noch auf der Website des Funkhauses verfügbar, die Einnahmen werden zugunsten von aus der Ukraine geflüchteten Kindern gespendet.