RBB: Schräg und kantig - Programm-Reform für Berlin und Brandenburg
Um all die Floskeln aufzufangen, die am Dienstag durch den Konferenzraum der RBB-Zentrale am Berliner Theodor-Heuss-Platz wirbelten, hätte man schon wie die indische Göttin Durga über zehn Arme verfügen müssen.
Aufbruch, Experimentierfeld, Marathonlauf, Werkstattprozess, Wagnis – all das und noch viel mehr verbindet sich bei den Verantwortlichen mit dem überarbeiteten Fernsehangebot des Rundfunks Berlin-Brandenburg.
„Atmenden Prozess“
Die treffendste Metapher fand dann allerdings, wie sich das schließlich gehört, die Intendantin des Senders. Patricia Schlesinger sprach bei der Präsentation des reanimierten RBB-Programms von einem „atmenden Prozess“. Sie ist seit 15 Monaten im Amt, und die Wiederbelebung des Fernsehprogramms war und ist ihre vordringliche Aufgabe in Berlin. Das Jahr 2016 hatte der RBB auch wieder als schlechtestes aller Dritten ARD-Programme abgeschlossen. Aktuell hat sich die Anstalt indes auf den vorletzten Platz gerettet.
Es gibt also einiges zu tun, und nach vielen Ankündigungen, dass sich beim RBB etwas tun muss, wird jetzt angekündigt, dass sich etwas tut. Es war an Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus, der wie Patricia Schlesinger vom NDR zum RBB gewechselt ist, die Details vorzutragen.
Zehn Millionen Euro pro Jahr
Neu ist die Sendung „Erlebnis Geschichte“, in der dienstags, ab 21 Uhr, „Erinnerungen und Schicksale von Menschen in der Region“ nachgezeichnet werden sollen. Eine Dokuserie mit dem Schwerpunkt „Wissen“ ist in Vorbereitung. Um das Programm, für das zehn Millionen Euro pro Jahr budgetiert sind, realisieren zu können, wurden andere Sendungen, wie zum Beispiel das Umweltmagazin „Ozon“, eingestellt.
Ab September soll es an Werktagen in der Primetime keine Wiederholungen mehr geben, sondern, wie Schulte-Kellinghaus sagt, „spannendes Fernsehen für die aufregendste Region Deutschlands“. Allein in dieser Wortwahl klingt schon ein Teil des RBB-Problems an.
Für die Prignitz und Berlin
Denn die aufregende Region erstreckt sich von der Prignitz im Norden bis zum Landkreis Elbe-Elster im Süden und mittendrin steckt Berlin mit seinen Publikümmern in Ost und West. Dramatisch gesprochen: Es zerreißt den Sender in alle Himmelsrichtungen, wobei die Akzeptanz des RBB-Fernsehens in Brandenburg traditionell deutlich größer ist als in Berlin.
Vor allem für die Hauptstadt musste also was getan werden. „Wir heben das Haupt und bieten die Stirn“, verspricht die Intendantin, um noch mal einen Leitsatz aus der Selbsttherapie des RBB zu zitieren. Das RBB-Fernsehen wird nicht nur frisch beatmet, auch eine kräftige Herz- und Seelenmassage tut not.
Bald kommt die „Abendshow“
Die wichtigste Programmidee betrifft den Donnerstagabend. Auf diesem Sendeplatz ist das bisher glücklose Unterhaltungsangebot des Senders beheimatet. Am 7. September startet die „Abendshow“, an der nun so gut wie alle Hoffnungen der RBB-Spitze hängen. „Das lässige Metropolenmagazin aus Berlin mit ironisch-satirischen Untertönen“ (Werbetext) solle einerseits unvergleichlich sein, wie es am Dienstag hieß, anderseits vorsichtshalber dann aber doch ein Mix aus „Stern-TV“ und „extra3“.
Entwickelt wurde das Format, mit dem sich das RBB-Fernsehprogramm sicht- und spürbar modernisieren möchte, mit Unterstützung des hauseigenen Rundfunksenders Radioeins, der für seine Konzepte über die Stadt hinaus bekannt ist. Britta Steffenhagen und Marco Seiffert, die die Abendshow moderieren werden, sind zumindest mit ihren Stimmen auch Radioeins-Hörern vertraut.
Vor allem schräg
Vom Papier her klingt das Projekt ambitioniert, aber auch noch etwas unübersichtlich. Gesendet wird jeden Donnerstagabend, 20.15 Uhr, live aus einem extra hergerichteten Studio des RBB, nur zum Auftakt nicht, dann kommt die Sendung nämlich von der Großbaustelle des BER. Das alles soll lustig und ernsthaft werden, journalistisch und spielerisch, vor allem aber schräg.
Schräg ist überhaupt eine gern gebrauchte Formulierung im neuen Selbstverständnis des RBB. Schräg und kantig möchte der Sender fortan die Leute begeistern, auch in der Außendarstellung. Die Image-Kampagne in Sparkassen-Rot soll mit witzigen Motiven und Sprüchen punkten. Es fiel tatsächlich das Wort von der „Berliner Schnauze“. Für das falsche Doppel-S im Slogan „Bloss nicht langweilen“ gibt es eine einfache Erklärung. Die Schrift wurde von einer amerikanischen Agentur gekauft. Und die haben da das neue große Eszett noch nicht. Dit is Berlin.