Was soll man lesen? Für viele Leute bieten Bestsellerlisten Orientierung. Deshalb hängen sie oft in Buchläden aus, über einem entsprechend befüllten Tisch. Ein Buch, das vielen Menschen gefällt, kann ja noch mehr Freunde finden. Manchmal ist es einfach unterhaltsam, manchmal auch literarisch raffiniert. Man denke an „Herkunft“ von Sasa Stanisic: Da folgte auf das Kritikerlob in allen Medien der Kauferfolg, der nach der Verleihung des Deutschen Buchpreis noch wuchs.
Dass der Sprung, den ich jetzt wage, sehr weit ist, ist mir klar. Es geht um aktuellen deutschen Nummer-eins-Bestseller. So, wie das Buch aufgemacht ist, bewirbt es sich nicht darum, im August auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis aufzutauchen. Es soll unterhalten – ein Anspruch, der seine Berechtigung hat. Die Rede ist von Renate Bergmann: „Dann bleiben wir eben zu Hause!“. Am 13. Mai bei Ullstein erschienen, steht das in fester Pappe gebundene 78-seitige Büchlein seit dem 25. Mai ganz oben in der Käufergunst. In Zahlen ausgedrückt sind das die Plätze eins bis drei der im Spiegel abgedruckten Liste.
Ich habe mir das Buch gekauft. Renate Bergmann ist ein Pseudonym, es gehört Torsten Rohde, der unter diesem Namen auch witzig gemeinte Textchen auf Twitter verbreitet. Diese „Online-Omi“ erzählt nun, wie sie die Corona-Krise bewältigt. Der Witz im Buch beschränkt sich auf verballhornte Schreibungen von Begriffen aus dem Internetzeitalter wie „Skeip“ und „Wotzäpp“. Frau Bergmann kennt außerdem zwar Vegetarier, aber nennt die anderen „Weganer“, und der Chef ist bei ihr ein „Scheff“. Die vermutlich lustig gemeinten Erlebnisse handeln von Videokonferenzen mit technisch minderbegabten Teilnehmern. Es gibt nicht viel zu erzählen vom Zuhausebleiben, das wird spätestens klar, als Frau Bergmann umständlich Kuchen- und Kochrezepte nacherzählt.
Meistgelesene Artikel
Nach der Lektüre sorge ich mich um all die älteren Damen landauf landab, die das Buch geschenkt bekommen haben. Schwer vorstellbar, dass sich jemand das gekauft hat, um es selbst zu lesen.