Renate Holland-Moritz: Die ostdeutsche Filmkritikerin ist mit 82 Jahren gestorben
Sie verabschiedete sich als Rekordhalterin, denn mit ihren 55 Jahren als „Kino-Eule“, in denen sie zwischen 1960 und 2015 ihre Filmkritiken im Satiremagazin Eulenspiegel veröffentlichte, galt Renate Holland-Moritz als dienstälteste Filmkritikerin des Landes, wenn nicht gar der Welt. Ihre Leserschaft teilte sich in zwei Fraktionen: Jene, die auf das Urteil der Kritikerin blind vertraute und keinen Film anschaute, den sie verriss. Und jene, die sich nur Filme ansah, die nicht die Gnade der Holland-Moritz fanden. Jungen Kollegen gab sie diese Ratschläge: „Immer deutlich sein. Die Anzahl der Fremdwörter auf ein vertretbares Maß reduzieren. Die Leser, unter denen es ja auch Nichtakademiker geben soll, müssen erkennen können, ob ihnen der Film empfohlen oder ob vor ihm gewarnt wird.“
„Der große Blonde kehrt zurück“
Renate Holland-Moritz liebte Filme wie „Alles auf Zucker“ von Dani Levy und „Sommer vorm Balkon“ von Andreas Dresen. In ihrem Lob dafür war sie überschwänglich, ja fast zärtlich. Sie redete allerdings auch nicht um den heißen Brei, wenn sie einen Film misslungen fand. Während andere Kollegen mit dem Florett oder Degen fochten, bevorzugte sie laut eigenem Bekunden die Dampframme. Das brachte ihr einige langjährige Feindschaften mit beleidigten Regisseuren ein.
Die kürzeste Kritik von Renate Holland-Moritz bezog sich auf einen französischen Film, war nur einen Satz lang und lautete nach Nennung des Titels „Der große Blonde kehrt zurück“ schlicht und deutlich: „Das hätte er lieber nicht tun sollen.“ Fortsetzungen erfolgreicher Filme, so ihre Erfahrung, misslingen eigentlich immer.
Lustvoll und lästernd
Als Autorin mochte und pflegte Renate Holland-Moritz das deutliche Wort. So durfte ich meinem Fotografen nach einem gemeinsamen Termin bei ihr zu Hause und dem Erscheinen des dabei entstandenen Fotos ausrichten, sie wolle ihn wegen dieses Bildes bei Gelegenheit erschießen, weil ihr dieses Foto so erschreckend ähnlich sehe.
Renate Holland-Moritz war nicht nur eine Filmbetrachterin, sie war auch eine Leserin. Ihre Wohnung in einem Hochhaus in der Leipziger Straße beherbergte Tausende von Büchern. Zwei Dutzend davon hatte sie selbst geschrieben. Darunter war auch eines, das es nach den damals geltenden Regeln der sozialistischen Literatur gar nicht hätte geben dürfen: „Die tote Else“ mit dem unerhörten Untertitel „Ein wahrhaftiges Klatschbuch“. Den Klatsch überließ die ostdeutsche Literatur nämlich offiziell gern den westdeutschen Blättern. Mit dieser einen Ausnahme. Renate Holland-Moritz erzählte lustvoll lästernd über ihre Begegnungen mit Schauspielern und Schriftstellern aus der DDR.
Sie starb in Berlin
Mit den Verfilmungen eigener Bücher war die Kritikerin nicht sonderlich zufrieden. Aus ihrer Erzählung „Das Durchgangszimmer“ wurde der TV-Film „Florentiner 73“ und die Komödie „Graffunda räumt auf“ adaptierte die Defa unter dem Titel „Der Mann, der nach der Oma kam“ mit Winfried Glatzeder als Haushaltshilfe. Es war einer der erfolgreichsten Defa-Filme überhaupt.
Filme, die sie nach dem Mauerfall zu sehen bekam, blieben der Kritikerin oft fremd: „Zu DDR-Zeiten dachte ich oft, alle Schrecken, die ein Mensch im Kino erleben könnte, hätte ich bereits erlebt. Das war ein Irrtum.“ Am Mittwoch ist Renate Holland-Moritz mit 82 Jahren in ihrer Geburtsstadt Berlin gestorben.