Republica 2017: Internet-Konferenz zur digitalen Gesellschaft zum 11. Mal in Berlin

Berlin - Das Internet hat es schwer in diesen Tagen. Falschnachrichten, Hass und Hetze, Social Bots, mysteriöse Zwischenwelten des Dark Net, Online-Imperien, die unsere Daten sammeln und missbrauchen können, kryptische Algorithmen, die keiner durchschaut, Hackerangriffe., Cypermobbing, Überwachung.

Ist das Internet ein Medium der Demokratie?

Schon vor drei Jahren konstatierte Journalist und Internet-Erklärbar Sascha Lobo: „Das Internet ist kaputt.“ Es sei nicht das, wofür er es gehalten habe, ein „Medium der Demokratie,  der Emanzipation, der Selbstbefreiung“.

Nun scheint es manchmal so, als sei alles noch viel schlimmer geworden. Wissenschaftler befürchten gar eine Spaltung der Gesellschaft: zwischen technikaffinen und gut gebildeten Menschen und  denen, die der Digitalisierung hinterherhecheln oder schon längst abgehängt sind.

„Love out Loud!“ heißt  deshalb auch das Motto der diesjährigen  Digitalkonferenz re:publica, die an diesem Montag zum elften Mal in Berlin startet. Ein Wortspiel, das aus dem digitalen Gruß und Akronym  „LOL“  abgeleitet ist. Es steht im Netzjargon für  „Laughing out loud“ und wird im Internet als Reaktion für etwas Lustiges oder Außergewöhnliches verwendet. „Wir wollen mit diesem Motto die positiven Seiten des Internets in den Vordergrund stellen und das Internet wieder als Ort der Emanzipation darstellen. Wenn nicht jetzt, wann dann?“, erklärt  Geschäftsführer Andreas Gebhard, der die re:publica zusammen mit Netzpolitik.org-Chefredakteur Markus Beckedahl, Tanja Haeusler und Johnny Haeusler gegründet hat. Zum vierten Mal wird die größte europäische Digitalkonferenz  zusammen mit der Media Convention Berlin ausgetragen.

Über 400 Vorträge, Panels und  Workshops  auf 19 Bühnen wird es in diesem Jahr im ehemaligen Postbahnhof Station-Berlin in Kreuzberg geben, 800 Redner  sind eingeladen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller wird den Kongress eröffnen.

Tinder und der Gaza-Krieg sind unter anderem Themen

Bis Mittwoch wird diskutiert und sich ausgetauscht: Über Plattformen, Big Data, Start Ups, Virtual Reality, Künstliche Intelligenz, Netzpolitik, Rechte, Journalismus,  digitale Geschäftsmodelle,  Kunst und Bildung.  Es geht um Frauen in der Spieleindustrie, barrierefreie Webseiten,  autonomes Fahren, um Tinder, Instagram, Twitter, Snapchat, YouTube und Facebook genauso wie um die Zukunft von  Online-Werbung, dem Einsatz sozialer Medien bei der Polizeiarbeit, um Drohnen, digitalen Kapitalismus,  die NSU, die AfD oder den Gaza-Krieg.

Arbeitsministern Andrea Nahles ist vor Ort, Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries und Innenminister Thomas de Maizière ebenso.  Friedensbuchpreisträgerin Caroline Emcke wird über Liebe und Empathie sprechen, der Oscar-Gewinner und Virtual-Reality-Guru John Gaeta berichtet  von seinen VR-Erfahrungen für den Film Star Wars, die US-amerikanische Roboterexpertin Lisa Winter, die ihren Kampfroboter Lady Bug mitbringt, wird von Joanne Pransky, der ersten Roboter-Psychiaterin interviewt.

Die Veranstalter rechnen mit 8.000 Besuchern  aus 60 Ländern.  Auch Sascha Lobo wird wieder dabei sein und am Montag seine Rede „Zur Lage der Nation“ halten. Vor zwei Jahren „schwänzte“ der Starredner, der quasi zum Inventar gehört  die re:publica, weil er nach den  Snowden-Enthüllungen nicht einfach so weitermachen wollte.

Die dreitägige Konvention ist längst keine Veranstaltung mehr, die nur ein kleines digital-affines Fachpublikum anzieht. 2007 quasi als Nerd-Event mit rund 700 Besuchern gestartet, ist sie nicht nur für viele  Medienschaffenden zur Pflichtveranstaltung geworden. Im vergangenen Jahr brach die re:publica  mit rund  8.000 Besuchern einen Rekord. „Die Hippie-Zeiten sind eindeutig vorbei“, sagt Johnny Haeusler. „Wir finden es gut, dass die re:publica inzwischen eine Gesellschaftsveranstaltung geworden ist und sich die Themen breiter entwickelt haben.“ Hier träfen sich Hacker oder Agenturen, die neuesten Trends nachspüren genauso  wie Menschen, die sich fortbilden wollen oder einfach nur neugierig seien.

In diesem Jahr auch einen Ableger in Thessaloniki

Damals sei man da so „hineingestolpert“, erinnert sich Gebhard. „Wir sind aus dem Bereich des Bloggens gestartet. Es ging also immer schon um Menschen, die etwas zu sagen haben.“ Inzwischen habe die re:publica eine Art Evolution durchlaufen -  von  Social Media über Web 2.0 bis hin zur digitalen Gesellschaft.  „Wir wollen den Zeitgeist der digitalen Gesellschaft widerspiegeln, ein Archiv sein, die Vielfalt abbilden und zeigen, dass die Digitalisierung jeden betrifft. Das Internet geht nicht mehr weg“, sagt Gebhard. Im vergangenen Jahr  gab es einen Ableger im irischen Dublin, in diesem Jahr findet eine re:publica im griechischen Thessaloniki statt.

Dabei ist die re:publica längst nicht mehr allein auf weiter Flur. Es gibt inzwischen unzählige Konferenzen mit digitaler Ausrichtung in Deutschland, viele haben sich Schwerpunkte gesetzt.  Im Oktober findet zum Beispiel in Hamburg die Social Media Conference statt, die Computerspieler treffen sich im August auf der Spielekonferenz Gamescom in Köln und seit 2016 gibt es auch eine Art re:publica für Jugendliche – die Tincon, die im Mai und Juni in Hamburg und Berlin stattfindet, gegründet von Tanja und Johnny Haeusler.

Bisher ist auf der re:publica nie wirklich etwas schief gegangen. Das größte Problem ist aber immer das Wlan-Netz. „Mal funktioniert es, mal nicht. Wir  können das vorher nicht testen“, erklärt Haeusler, „wenn jeder zwei bis drei Endgeräte mitbringt, dann bricht so ein Netz schon mal zusammen.“