Restaurantkritik zum Frea in Berlin-Mitte: Der Null-Müll-Kreislauf
Der Müll, der tagtäglich bei mir zu Hause anfällt, nervt mich. Nicht nur, weil ich es meistens bin, die ihn runterbringt, sondern weil ich den Verpackungswahnsinn nicht mehr ignorieren kann. Besonders stört mich Plastik. Im Supermarkt versuche ich, unverpackte Produkte zu kaufen. Das ist überraschend schwierig. Selbst Bananen, die ja ihre Hülle selbst mitbringen, gibt es oft nur im Plastikbeutel.
Bisweilen bin ich meiner Familie peinlich. Meinen Mann habe ich schon mit einer Tasse ins Café geschickt, weil er einen „Coffee to go“ wollte. Und kürzlich steckte ich in einer Zwickmühle, weil ich das nicht aufgegessene Essen beim Vietnamesen um die Ecke zwar mitnehmen wollte, aber keinesfalls in Alu. Am Ende holte ich Tupperware von zu Hause, meine Familie verließ daraufhin den Laden und tat, als würde sie mich nicht kennen.
Mit zunehmendem Alter werde ich immer missionarischer. Und jetzt habe ich ein tolles neues Restaurant entdeckt, dessen Machern es geht wie mir. Es heißt Frea und produziert keinen Müll. Alle Produkte bezieht es unverpackt von Bio-Bauern. Zutaten wie Haselnussmilch werden dort selbst hergestellt. Und am Ende wandern alle anfallenden Essensreste in eine Kompostiermaschine. Sie steht direkt im Laden und verarbeitet die Reste in nur einem Tag zu Erde, die die Lieferanten wieder auf ihren Höfen verteilen.
Das Frea ist ein veganes Restaurant
Natürlich, Sie ahnen es schon, ist das Frea ein veganes Restaurant. Aber ich habe dort Fleisch oder Fisch kein bisschen vermisst. Bei den Vorspeisen, von denen es ebenso wie von den Hauptgerichten nur drei zur Auswahl gibt, arbeitet der Küchenchef Halfdan Kluften mit schmelzigen Cremes und gehaltvollen Dips. Die Erfinder des Frea-Konzepts, ein Team aus jungen, sympathischen Weltverbesserern, haben ihn aus dem Silo, einem der weltweit ersten Zero-Waste-Restaurants in der Nähe von London, abgeworben.
Kluftens Sauerteigfladenbrot, das er aus einem griffigen, fast grießähnlichen Mehl herstellt und nach dem Backen noch in der Pfanne anröstet, schmeckt großartig. Dazu hat er einen nussigen Dip, der an Hummus erinnert, aus Sonnenblumenkernen und frischem Meerrettich kreiert und eine Pilzpaste aus Portobello-Pilzen so ausgetüftelt, dass sie fleischig anmutet. Das Ganze wird von gehobelten und leicht säuerlich fermentierten Steckrüben abgerundet.
Die Freundin, die mich begleitet, ist ebenso begeistert wie ich. Ihr Mann arbeitet im Umweltministerium, die Zahlen zum Verschwendungswahn hat sie drauf: 220 Kilogramm an Verpackungen im Jahr produziert jeder Deutsche, so viel wie niemand sonst in Europa. Im Alltag Müll zu vermeiden, treibt auch meine Freundin um. Schön, wenn es neben dem guten Gewissen auch Genuss gibt – wie im Frea.
Sahnig schmeckender Petersilien-Dip mit Sauerampfernote
Das schön heiß servierte Linsenragout überzeugt uns, weil Linsen in einem herzhaften Gemüsefond gekocht und zusätzlich knusprig angebratene Linsen untergehoben wurden. Ein toller Effekt. Dazu passt der kühle, fast sahnig schmeckende Petersilien-Dip mit Sauerampfernote und das in Öl gebackene Ofengemüse. Bei der Kürbispasta und der Kartoffelterrine, den beiden anderen Hauptgerichten, die wir ebenfalls probieren, fällt der Verzicht auf tierische Produkte wie Butter, Sahne und Käse mehr auf. Geschmack und Konsistenz der hausgemachten Strozzapreti-Nudeln sind hervorragend, aber bei der Kürbis-Pilz-Soße fehlt das verbindende aromaverstärkende Element.
Ich bin mir sicher, so findige Leute wie die im Frea tüfteln auch das bald noch aus. Weil meine Freundin und ich nicht alles aufessen, bekommen wir die Reste in Einmachgläsern mit nach Hause. Wir sollen sie bei Gelegenheit zurückbringen. Das mache ich bestimmt.
Frea, Torstraße 180, Mitte, geöffnet Mo–Di 12–16 Uhr, Mi–Sa 12–16 Uhr und 18–22 Uhr, So 10–16 Uhr, Tel. 0163 3547189
Vorspeisen kosten 6–7 Euro, Hauptgerichte 9,50–10 Euro, Desserts 3–6 Euro.