Restitution: Berliner Museum übergibt 23 Raubkunst-Objekte an Namibia

Drei Jahre lang haben namibische und deutsche Wissenschaftler Artefakte des Ethnologischen Museums erforscht. Nun gehen sie in ein neues Museum nach Namibia.

Die Provenienzforscherin Julia Winter und die Restauratorin Johanna Ndahekelekwa Nghishiko reinigen im Ethnologischen Museum eines von 23 Objekten aus einer Sammlung, die an Namibia zurückgegeben werden.
Die Provenienzforscherin Julia Winter und die Restauratorin Johanna Ndahekelekwa Nghishiko reinigen im Ethnologischen Museum eines von 23 Objekten aus einer Sammlung, die an Namibia zurückgegeben werden.dpa

23 Objekte des Ethnologischen Museums reisen nach Namibia, heißt es in der Pressemitteilung– das klingt nach innerer Anspannung, Koffer packen, Aufbruch. Wer reist, so geht die Assoziationskette weiter, hat hinterher eine Menge zu erzählen.

Die Artefakte aus der Sammlung des Ethnologischen Museums zu Berlin reisen aber gar nicht, sie kehren zurück. Sie sind, wie am Dienstag im Ethnologischen Museum in Dahlem dargelegt wurde, Teil eines 2019 begonnenen Forschungsprojektes, das einen langen Namen trägt, der gleich mehrfach wie ein Mantra aufgesagt wurde: Confronting Colonial Pasts/Envisioning Creative Futures. Aus der kolonialen Vergangenheit, die in diesem Fall zwischen 1904 und 1908 in den von deutschen Besatzern an den Ovaherereo und Nama verübten Völkermord gemündet war, soll eine wissenschaftlich und künstlerisch fruchtbare Kooperationsbeziehung hervorgehen. Mit der Rückgabe der Werkzeuge, Schmuck- und Modestücke soll ein kultureller Austausch entstehen, der weit über die musealen Beziehungen hinausreichen möge.

Die Objekte brauchen eine Geschichte

Ein Vorzeigeprojekt also? Natürlich auch das. Die Gerda-Henkel-Stiftung hat die Zusammenarbeit zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und dem Nationalmuseum Namibias gefördert, allein 400.000 Euro wurden für ein in Otjiwarongo entstehendes Modemuseum bereitgestellt, in das auch eine Puppe der Ovaherero einziehen soll, die ein Geschenk der einstigen Königin an eine finnische Missionarstochter war und später ans Museum weiterverkauft wurde. An dieser Puppe lässt sich exemplarisch die Bedeutung des Forschungsprojektes zwischen deutschen und namibischen Museen verdeutlichen. War sie zuvor ein Artefakt, der in den sozialen Beziehungen gegenwärtig war, so geriet sie nach der schnöden Veräußerung in Vergessenheit. Nun indes gehe es darum, die Objekte für die Gegenwartskultur wiederzubeleben, sagte Esther Moombolah/Goagoses vom namibischen Nationalmuseum. Die Objekte brauchen eine Geschichte, sagte Lars-Christian Koch, der Leiter des Ethnologischen Museums.

Wie die Objekte hat auch die Idee der Kooperationen eine Geschichte, die sehr viel mit dem öffentlichen Druck zu tun hat, der sich hinter dem Stichwort Dekolonisierung verbirgt. Insbesondere das Humboldt-Forum steht in der Pflicht, sich als weltoffene Präsentations- und Forschungsstätte zu definieren, die das Prinzip des Kulturbesitzes von Grund auf erneuert. Die Mitgift der 23 Objekte, die ihre prekäre Aneignungsgeschichte zurücklassen, ist genau diese Erneuerung.