Theatergiftzwerge im Schatten des echten Trump

Der flämische Regisseur Stef Lernous verfrachtet mit „Rex Ubu“ die Alfred-Jarry-Groteske um den machtgeilen und ich-süchtigen König in ein konsumversifftes Wohninferno unserer Tage. 

Berlin-Pa Ubu sitzt in seinem majestätischen, viel zu großen Clubsessel, die Fernbedienung fest in der Hand und glotzt TV − da hat er eine Erleuchtung: Die Welt ist rund, hieß es da gerade im Fernsehen? „Gott hat die Welt nach seinem Ebenbild geschaffen. Gott ist rund. Ich bin rund“, und Pa schaut stolz an seinem Fettwanst hinunter über das gelb versiffte Hemd und die Schlabberkurzhose hinweg. „Also bin ich Gott!“ 

Zu Hause bei Pa Ubu (Owen Peter Read, Tilo Nest, Paul Zichner v.l.) 
Zu Hause bei Pa Ubu (Owen Peter Read, Tilo Nest, Paul Zichner v.l.) JR Berliner Ensemble

Entzückt hüpft Pa vom Sessel, kramt eine dicke Tuba aus dem Hintergrund seiner konsumvermüllten Wohnlandschaft, die mit verschütteten Chipstüten, Bierdosen, Papierfetzten und Schimmelblumen eher ein Wohninferno ist, und pustet sich erst mal einen Tusch. Tatsächlich spuckt er nur ein bisschen am Mundstück rum, liegt dann mit dem guten Stück am Boden und schmust sich selbst ab. Aber die vier Musiker, die wie vergessenes Mobiliar in einer anderen Ecke hausen, verhelfen Pas Gotteserkenntnis zu ihrem hinkenden Krönungsmarsch.

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Trash und Pauschalkritik

Das ist so ein schöner kleiner, aufgeblasen kaputter Ubu-Moment der an Einzelmomenten reichen „Ubu Rex“-Inszenierung, mit der der flämische Regisseur Stef Lernous dem egomanen Nimmersatt von Alfred Jarry aus dem vorvergangenen Jahrhundert nun einen rotzversauten Teppich ins Heute ausrollt. Ein ehrgeiziger Abend, der dank der schmissigen Musik von Jörg Gollasch in seinen besten Nummern an Brecht-Weill’sche Moritaten-Travestien erinnert, aber leider auch über weite Strecken im abgehalfterten Trash und allzu pauschaler Gegenwartskritik stecken bleibt.

Es ist ja auch wirklich nicht leicht, aus dem einst so grotesk scheinenden Machtmonster Ubu, dessen animalischer Hunger einziger Kompass und die pure Dreistigkeit Prinzip ist, in Zeiten von Donald Trumps getwitterter Gefühlspolitik noch eine halbwegs wirkende Bühnenfigur zu machen. Wir reiben uns tagtäglich ja sowieso schon die Augen über all die Ubuesquen − nicht im Theater, sondern auf den Chefsesseln und Machtpositionen dieser Welt.

Alternative zur Wirklichkeit

Und natürlich quillt auch die verquirlte Glitzerwelt der Trumps durch die Dreckswohnung der Ubus im BE (Bühne: Sven van Kuijk), drängelt sich Trumps Reality-Show-Mentalität durch jeden Satz des verlotterten Pa Ubu, dem Tilo Nest einen weinerlich kindischen Dickkopf mit Beißreflex aufsetzt.

Für Stefanie Reinsperger ist die machtgeile Megäre Ma Ubu mit verpeilten Melanie-Trump-Allüren im Grunde eine Paraderolle, nur rutscht dabei auch viel ins textflache Gekreisch. Vor allem die unterbelichteten Figuren eines Kellners, Doktors und des Gewissens bremsen die Ubus eher, als sie in Fahrt zu bringen. Trotzdem: lieber diese kleinen Giftzwerge im BE, als die großen Glamouraffen draußen.

Rex Ubu 21.,22., 26−28. Februar, 20 Uhr, Berliner Ensemble (Neues Haus), Tel: 28 40 81 55 oder berliner-ensemble.de