Rihanna in Berlin: Scheide reiben, Felsen schlecken
Am Dienstagabend hat der singende und tanzende Superstar Rihanna in der mit 14.000 Zuschauern und vor allem Zuschauerinnen ausverkauften Mehrzweckhalle am Ostbahnhof ein Konzert gegeben. Mit etwa anderthalb Stunden war es angenehm kurz, was auch daran lag, dass Rihanna von den in dieser Zeit dargebotenen Liedern – insgesamt immerhin 30 an der Zahl – insbesondere in der zweiten Hälfte des Abends jeweils nur noch ein oder zwei Strophen spielte, bevor sie zum nächsten Song überging. Dennoch fühlte man sich am Ende ausgelaugt, erschöpft und lustlos, was wiederum gut zu der routinierten Lustlosigkeit passierte, mit der Rihanna sich durch ihr Repertoire sang. Beziehungsweise auch eben nicht, denn weite Teile des Abends verbrachte sie bloß damit, die Playbackbeschallung durch ein paar je nach Laune hinzugefügte Zeilen oder Wörter zu schmücken.
Die Aufführung wurde von der Künstlerin in fünf so genannte Akte unterteilt, die sich gleichermaßen nach musikalischen Stilen wie nach der Bekleidung von Rihanna unterscheiden ließen. Im ersten Akt trug sie klobige schwarze Straßenstrichstiefel und sang technoid rhythmisierte Lieder von ihren jüngsten beiden Platten. Im zweiten Akt trug sie etwas weniger klobige weiße Straßenstrichstiefel und sang etwas ältere, von schunkelnden Reggaebeats beherrschte Stücke wie „Rude Boy“ oder „Man Down“. Später war sie auch noch in einem hübschen roten Abendkleid mit langem Schlitz zu bewundern oder – im fünften und letzten Akt, in dem sie von der europäischen Ballermanndisko der Neunzigerjahre geprägte Songs wie „Don’t Stop the Music“ darbot – in einem glitzernden Babydollkleid mit aufgedruckten Dollarscheinbildern.
Das Publikum schien Rihanna durchaus zugetan zu sein. Doch wollte es – anders als bei den letzten Mehrzweckhallenkonzerten aktueller US-amerikanischer Superstars von Lady Gaga über Jennifer Lopez bis zu Beyoncé – nie wirklich in Wallung kommen. Es tanzte nicht und hüpfte nicht und zeigte auch ansonsten kaum körperliche Zeichen der Euphorie. Der Grund dafür dürfte in dem Umstand zu suchen sein, dass die meisten Lieder von Rihanna sich weder im Tempo noch im Rhythmus noch in ihrer musikalischen Dramaturgie zum euphorischen Hüpfen und Tanzen oder sonst irgendeinem vom Zuschauer zu bewältigenden Gesamtkörpereinsatz eignen. Sie eignen sich vielmehr vor allem dazu, sich rhythmisch mit der gekrümmten Hand an der Scheide zu reiben, mit der flachen Hand rhythmisch auf die Scheide zu schlagen oder aber durch hektische Bewegungen der Hüfte die darunter angebrachten Pobacken zum Wackeln zu bringen: drei Arten der Unterleibschoreographie, die Rihanna an diesem Abend bis zur Monotonie wiederholte, die im Publikum aber nur wenig Nachahmerinnen zu finden vermochten; von Nachahmern ganz zu schweigen, denn Männer schlagen sich ja eher ungern mit der flachen Hand in den Schritt, weil es dann weh tut, und auch beim Pobackenwackeln halten sie sich meist zurück.
Was gibt es in musikalischer Hinsicht zu berichten? Es gab einige Stellen, an denen Rihanna sang. Und unter den vier von ihr gemieteten Bühnenmusikern befand sich ein bekannter Virtuose des steroid aufgepumpten Gitarrengegniedels, nämlich der von der Gruppe Extreme bekannte Nuno Bettencourt. Er spielte etwa in dem Stück „Numb“ ein für sich genommen sehr schönes, im Gesamtzusammenhang aber überaus unpassendes Solo, und zwar an der Stelle, an der Rihanna normalerweise im Duett im Eminem rappt. Wie Rihanna, musste sich auch Nuno Bettencourt zwischen den Akten immer wieder umziehen; eine Verpflichtung, der er sich seinerseits eher lustlos entledigte: Mal trug er ein Hemd, mal eine Motorradjacke, mal hatte er eine Wollmütze auf, mal wieder nicht.
Zu dem Stück „Cockiness (Love It)“, zu deutsch etwa „Schwanzigkeit (liebe es)“, wurde übrigens auf einer halbrunden Projektionsfläche über der Bühne ein Videofilm abgespielt, in dem Rihanna die Abbruchkante eines über ihr hängenden Felsens ableckte! Dieser Felsen schien sehr lecker zu schmecken, denn Rihanna konnte gar nicht genug von ihm bekommen, und bald bildeten sich lange Fäden aus Speichel zwischen ihrer Zunge und dem Gestein.